Nebenan: Roman
habt. Die Leprechauns haben sich sofort wieder verdrückt, nachdem sie diese Höllenklepper hier abgeliefert haben. Und sie haben gewusst, warum!«, entrüstete sich Mozzabella.
Die resolute Heinzelfrau führte sie einen gewundenen Weg zum Gipfel des Hügels hinauf. Vorbei an geduckten Häuschen mit weit überhängenden Giebeln, in denen sich heulend der Sturmwind verfing. Till spürte, wie hinter halb geschlossenen Fensterläden neugierige und furchtsame Augen jedem ihrer Schritte folgten. Ja, er fragte sich, ob sie vielleicht für die Bewohner von Nebenan das waren, was er und seine Freunde in Klöppel gesehen hatten: Ungeheuer!
Auf dem Gipfel des Hügels stand eine hohe Halle, getragen von baumdicken, hölzernen Säulen, deren Mittelstücke mit Blechen aus gehämmerter Bronze geschmückt waren. Sie zeigten Bilder, die Till in aller Bizarrheit seltsam vertraut waren. Da gab es winzige Blütenjungfern mit zerbrechlichen Flügeln wie aus hauchzartem Glas, Waldschrate, Hexen und Zauberer. Der ganze Pantheon der Märchengestalten und Sagenhelden war hier versammelt. Und immer wieder war eine Frau mit schweren Zöpfen abgebildet, die über allen thronte.
»Der Tempel der großen Mutter«, erklärte Mozzabella. »Das ist kein Ort für so herzlose Wesen wie euch! Die Ställe liegen dahinter.« Die Älteste führte sie an den hohen, mit welken Sommerblumen bekränzten Pforten vorbei zu einem Langhaus, unter dessen Giebelfirst grauer Rauch hervorquoll. Grün von Moos war das tief hinabgezogene Reetdach, dessen gekreuzte Giebelbalken mit kunstvoll geschnitzten Einhornköpfen geschmückt waren.
Auf der Rückseite des Hauses gab es ein niedriges Tor.
Dahinter hörte man das Stampfen von Hufen und unruhiges Schnauben.
»Sind sie aus den Boxen ausgebrochen?«, fragte Mozzabella.
Klöppel schüttelte den Kopf. »Nein, Herrin … Wann ich gehen, sie waren angekettet.«
Die Älteste drehte sich zu den Alesiern um. »Du da. Ja, du mit den unrasierten Backen! Deiner Lederjoppe nach zu urteilen sollst du wohl Loeg abgeben, Cuchulains Wagenlenker. Es ist jetzt deine Aufgabe, sich um die Mistviecher zu kümmern. Von meinen Leuten geht da jedenfalls keiner mehr rein, um sich beißen zu lassen.«
Almat schluckte. »Ich hab nie was mit Pferden zu tun gehabt …«
Mozzabella rümpfte die Nase. »Schöne Helden hat mir Laller da geschickt. Ich weiß wirklich nicht, was ihr hier wollt. Die Dunklen werden euch sofort durchschauen!«
»Genug jetzt, ihr Jammerlappen!« Gabriela trat vor und stieß das Tor auf. Wild entschlossen hielt sie den gae bolga , den Knochenspeer, vor, bereit allem zu trotzen, was da aus dem Stall kommen mochte. »Seid ihr Männer oder Memmen? Ich werde mich jedenfalls nicht mehr länger beleidigen lassen, nur weil ihr keine Traute habt.«
Rolf hielt sie zurück. »Wenn du gestattest, gehe ich vor. Immerhin bin ich Cuchulain, und damit trage ich dann wohl von nun an die Verantwortung für diesen Streitwagen und seine Zugpferdchen. Im Übrigen machst du mich zum Fußgänger, wenn du die Hengste abstichst.«
»Erinnert ihr euch noch, wie wir bei dem Liverollenspiel auf Burg Bilstein dem Balrog entgegengetreten sind?«, fragte Till, bemüht darum, so gelassen und heldenhaft zu klingen, als sei es auch diesmal nur ein Spiel. »Machen wir es genauso!«
Sie zogen die Schwerter und traten Seite an Seite durch das Tor. Warme Stallluft schlug ihnen entgegen. Es roch nach Stroh und Pferdeäpfeln. Es war fast völlig dunkel. Vor ihnen erklang unruhiges Schnauben. Eine Kette klirrte. Dann ging alles blitzschnell. Etwas rammte Till in die Seite und ließ ihn gegen Gabriela taumeln. Ein Rossschweif peitschte dem Alesier ins Gesicht.
Rolf fluchte und hieb mit seinen beiden Schwertern ins Leere. Martin wurde in hohem Bogen in einen Heuhaufen geschleudert. Hufe stampften. Ein schwarzer und ein grauer Schemen tanzten durch das Zwielicht. Rolf duckte sich unter einem Huftritt und brachte sich mit einer Rolle in Sicherheit. Almat war jetzt der Letzte unter den Alesiern, der noch auf den Beinen war.
»Macha, Sainglu!«, murmelte er beschwörend. »Ruhig, meine Hübschen.«
Ein schwarzer Pferdekopf schob sich aus der Finsternis. Dunkle Augen blitzten und Geifer tropfte dem Hengst aus dem Maul. Almat wich zurück, bis er mit dem Rücken an einem hölzernen Stützpfeiler stand, von dem Pferdegeschirre und ein ausgebeulter Ledersack hingen.
»Ich kann spüren, was sie denken«, flüsterte Almat. »Sie … sie sind verdammt
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