Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
Vom Netzwerk:
reicht die bloße Anwesenheit, um den Atem des Winters über das Land streichen zu lassen. Doch die Fee muss aktiv einen Fluch aussprechen, der dann alle in einem bestimmten Umkreis betrifft. Wir können von Glück sagen, dass sie auf die dämliche Dornenhecke verzichtet hat. Vermutlich tat sie das, damit die Dunklen besser vorrücken können, sobald sie ihre Basis gesichert haben.«
    »Aber kann die böse Fee nicht mit ein paar Worten unsere ganze Armee schlafen legen?«, hakte nun Rolf nach.
    »Nein …« Wallerich zögerte. »Jedenfalls nicht, wenn sie nicht in letzter Zeit erheblich an Macht gewonnen hat. Nach einem so starken Zauber fühlt man sich so, als habe man zwei oder drei Flaschen Eierlikör getrunken. Die braucht mindestens einen Tag, um sich davon zu erholen.«
    »Und die Schläfer?« Till deutete auf die Frau am Boden. »Kann denen nichts passieren?«
    »Habt ihr eigentlich nie Grimms Märchen gelesen? Zugegeben, diese zwei verklemmten Urgermanisten haben die deftigsten Stellen aus den Märchen wegzensiert, aber die entscheidenden Informationen sind meistens noch übrig. Erinnert euch doch an Dornröschen! Die Schläfer sind vor allem Unbill geschützt. Sie altern nicht einmal, bis sie wieder aus dem Zauberschlaf erwachen!«
    Till betrachtete die Schalterbeamtin und zog die Lippen kraus. »Müssen wir hier irgendjemanden küssen, damit sie wieder aufwachen?«
    Wallerich stieß einen verzweifelten Seufzer aus. »Nein. Das hier ist nicht Schneewittchen, sondern Dornröschen, und da es keine verfluchte Prinzessin gibt, wird es vermutlich reichen, die Dunklen wieder nach Nebenan zu vertreiben, um den Zauberbann zu brechen. Das war jetzt aber genug Nachhilfe in Sachen Märchen. Lasst uns lieber nachschauen, was die anderen so machen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Erlkönig und Flammerich keine Späher ausgeschickt haben.«
    Sie folgten dem Heinzelmann hinaus auf den verschneiten Bahnsteig und kletterten dann die steile Trasse der Zahnradbahn hinauf. Dem Zug, der schon halb eingeschneit auf offener Strecke stand, gönnten sie nur einen flüchtigen Blick. Der Lokführer schlief tief über sein Fahrpult gebeugt hinter einer gewölbten Scheibe, an der Eisrosen emporrankten.
    Hinter der ersten Wegbiegung fegte Polarwind den Berg hinab und hatte den Schnee vom Schotterbett geblasen. Ein kleines Stück voraus flimmerte die Luft, so wie man es im Sommer manchmal über heißem Asphalt beobachten kann.
    »Die Grenze!«, schrie Wallerich gegen den Sturmwind an.
    Zunächst begriff Till nicht, was der Heinzelmann meinte. Doch dann erkannte er, was sich im Schotterbett veränderte. Vor seinen Augen lösten sich die stählernen Schienen auf. Es geschah nur langsam und doch war mit bloßem Auge zu beobachten, wie sich der Schienenstrang Millimeter um Millimeter auflöste. Gegen den Sturm blinzelnd erkannte der Student, wie der Weg weiter oben enger wurde und sich in einen ausgetretenen Eselspfad verwandelte.
    Seitlich von ihnen erklang der heisere Ruf eines Horns. Augenblicke später ertönte eine Antwort von weiter unten am Berg. »Sie beginnen mit dem Angriff«, erklärte Till überflüssigerweise, denn sowohl Rolf als auch Wallerich waren beim Kriegsrat zugegen gewesen.
    Der Heinzelmann deutete auf eine in den Fels gehauene Treppe, die von den in Auflösung begriffenen Schienen fort zu einem Privatgrundstück führte. »Die Nibelungenhalle liegt dort oben.«
    Leise knirschend bewegte sich der Boden unter Tills Füßen. Der Student und Rolf machten einen Satz in Richtung der Treppe.
    »Der ganze Berg beginnt sich zu verändern!«, fluchte Wallerich. »Verdammte Magie! So ein Wunderwerk wie die Zahnradbahn zu vernichten gehört sich nicht!«
    Oben an der Treppe stießen sie auf die beiden neutralen Berichterstatter. »Das hättest du mir sagen müssen!«, schrie Tom, kaum dass Till die letzte Stufe hinter sich gelassen hatte. »Da hört der Spaß wirklich auf!«
    »Wer sind die?«, fragte Wallerich und musterte die zweite Gestalt, einen schlanken, fast hageren Mann, der schlotternd seinen schwarzen Umhang vor der Brust zusammenhielt.
    »Die Chronisten der Schlacht … Glaub mir, so jemanden braucht man.«
    Die schwarze Gestalt nickte Wallerich zu. »Wenn das hier vorbei ist, solltest du dich mal bei mir melden. Ich kenne ein paar Künstler, die neue Magic-Karten entwerfen. Die wären sicher begeistert, wenn ihnen jemand wie du Modell stehen würde.«
    »Ich soll was?«, ereiferte sich der Heinzelmann. »Und

Weitere Kostenlose Bücher