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Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Fenster auf. Es mochte Einbildung sein, doch dem Zahnarzt kam es so vor, als trüge der Wind einen Duft von Verheißung mit sich. Den Geruch einer freieren Welt!
    *
    Die Männer in ihren bunten Landsknechtskostümen wirkten wie Überbleibsel aus einer längst vergangenen Zeit. Sie lungerten um den großen Bus herum, der sie hierher, auf den Parkplatz der Zahnradbahn, gebracht hatte. Manche ölten ihre Waffen. Andere standen einfach nur herum, rauchten und unterhielten sich dabei leise. Hin und wieder blickten sie spöttisch grinsend zur gegenüberliegenden Seite des Parkplatzes, wo sich die anderen versammelt hatten. Es war nicht zu übersehen, dass sie für diese Zivilisten nicht viel übrig hatten. Sie waren hier die Elite. Die legendäre Schweizergarde, die seit Jahrhunderten den Vatikan beschützte.
    Till begaffte sie aus einiger Entfernung. Ob die Schweizer wussten, was sie erwartete? Wenn er an die Armee dachte, die Flammerich um sich versammelt hatte, überkamen ihn Zweifel. Wie viele Schweizer brauchte man, um einen Rübezahl zu bezwingen?
    Fröstelnd zog der Student seinen Umhang enger um die Schultern. Selbst auf dem Parkplatz, der durch die parallel laufenden hohen Brücken geschützt war, lag der Schnee mehr als knöcheltief. Weiter oben am Berg wurde es noch schlimmer, behaupteten die Späher.
    Till schlenderte zu dem großen Tisch, um den sich ihr Generalstab versammelt hatte. Im Windschutz eines alten, grell bemalten VW-Bullys, beugten sich die Kommandeure dieser absurden Streitmacht im Licht von einigen Sturmlaternen über einen Klapptisch, auf dem verschiedene Wanderkarten ausgebreitet waren, die den Drachenfels und seine Umgebung zeigten. Auf dem Dach des VW landeten laufend Möwen, um krächzend Bericht zu erstatten. Es war halb neun Uhr morgens. Die Sonne war noch nicht lange aufgegangen und ihre blassen Strahlen vermochten kaum die dunklen Sturmwolken zu durchdringen, die träge über den Himmel zogen.
    Till war stolz auf das lärmende Biwak auf dieser Seite des Parkplatzes. Fast alle, die sie letzte Nacht angerufen hatten, waren gekommen. Die meisten Menschen hätten sie wohl einfach einen Haufen Verrückte genannt. Kaum jemand passte hier in die alten, bürgerlichen Konventionen oder zu den Idealen der gewinnorientierten, jungen Yuppie- und Fun-Kultur. Es waren die besten Schwertkämpfer und Bogenschützen in einer Zeit, in der diese Fertigkeiten längst überflüssig geworden waren. Stuntmen, die gleich modernen Gladiatoren auf Mittelaltermärkten ihre Knochen riskierten, aber auch einfache Studenten, Autoschlosser und Forstmeisterinnen, die in ein Hobby geflohen waren, das sie für manche Wochenenden eine Gegenwart vergessen ließ, in der sie sich fehl am Platz fühlten. Sogar Jürgen und Tom waren da. Sie beide waren seit mehr als zehn Jahren unbestechliche Beobachter und Berichterstatter der deutschen Fantasy-Szene. Es war Till gewesen, der sie benachrichtigt hatte. Sie sollten die Chronisten der Geschehnisse dieses Tages werden. Wie die meisten hier unten auf dem Parkplatz verfügten sie über die Gabe zu sehen, was der Mehrheit der Menschen verborgen blieb.
    Till dachte an die vergangene Nacht. Stundenlang hatten sie von der Villa Alesia aus telefoniert, um jede greifbare Verstärkung zu bekommen. Obwohl sie jeden Schwertarm brauchen konnten, hatten sie ihre Freunde eindringlich gewarnt, dass dies hier kein Spiel und auch keine Show werden würde. Dennoch hatte Till den Verdacht, dass die meisten aus der illustren Schar hier auf dem Parkplatz diese Warnung nicht ernst nahmen. In kleinen Gruppen drängten sie sich um Lagerfeuer oder Kohlenpfannen. Staufische Ritter aus der Gegend um Berlin, ein großer Schottenclan, der sich mit quietschendem Dudelsackspiel auf das Bevorstehende einstimmte und dabei eine Feldflasche kreisen ließ, in der bestimmt kein Tee war.
    Einige Ritter vom Clan der Raben überprüften noch einmal das zerlegbare Katapult, das sie mitgebracht hatten. Ein Trupp Wikinger mit langstieligen Äxten spöttelte über die Schweizer auf der anderen Seite des Parkplatzes.
    Mit röhrendem Motor kam eine schwere Harley Davidson die Einfahrt hinauf. Trotz der Eiseskälte trug der Fahrer einen offenen Helm und eine Pilotenbrille. Um den Hals hatte er einen Schal gewickelt, der in allen Regenbogenfarben schimmerte. Er trug eine Lederjacke mit langen Fransen, abgewetzte Jeans und schwere Stiefel. Dort, wo sonst Satteltaschen saßen, hing ein Ritterschild vom Motorrad und quer über

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