Nebenan: Roman
eines über Computer. Diese beiden Dinge schienen in der veränderten Welt unverzichtbar geworden zu sein. Klug wäre es auch, sich nach einer anderen Unterkunft umzusehen. Bei den Eskapaden des Grafen und Baldurs war es nur eine Frage der Zeit, wann die Heinzelmännchen dieses Versteck aufspürten.
Ganz von seinen neuen Gedanken gefesselt ging er die anderen Papiere im Koffer nur flüchtig durch. Unter den Akten jedoch fand er in blaues Samttuch eingeschlagen etwas, das ihm bei seinem Griff nach der Freiheit ganz neue Perspektiven eröffnen sollte.
Nöhrgel überflog die Liste, die der Drucker ausgespuckt hatte, und nickte zufrieden. »Genauso habe ich mir das gedacht. Eine Liste mit Querulanten und Sonderlingen. Fast alle von ihnen haben schon einmal eine Anzeige wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses bekommen, hier ist auch von Okkultismus, schwarzen Messen, Schwarzfahren und der Teilnahme an links orientierten Demonstrationen die Rede. Ein prächtiger Haufen, diese Ui Talchiu, wenn man sie nach den Vermerken des Bundeskriminalamtes beurteilt. Wundert mich, dass das BKA noch keine eigene Akte über die Truppe führt. Im Großen und Ganzen scheinen sie recht sympathisch zu sein. Ein paar Chaoten, die einem so richtig ans Herz wachsen könnten, und das, obwohl es Menschen sind! Ich würde sie sogar …«
Ein Handy meldete sich mit den bekannten Anfangstönen von Beethovens Neunter. Nöhrgel brauchte ein wenig, bis er das winzige symphonische Telefon unter einem Papierstapel fand. Der Alte kam Wallerich vor wie ein gestresster Manager aus einem neueren Hollywoodschinken.
»Bis spätestens Mitternacht werden sie also hier sein? Sehr gut. Es ist schön, dass es noch jemanden gibt, auf den man sich verlassen kann. Ja, ich bin dir jetzt etwas schuldig, das sehe ich auch so …« Nöhrgel nickte. »Natürlich werde ich nicht vergessen, dass sie sich vor Sonnenaufgang wieder auf den Rückweg machen müssen … Jaaaa … Und noch mal danke.« Der Älteste legte das Handy zur Seite und lächelte versonnen. »Das wäre erledigt!«
»Hast du gerade meinen Abend verplant?«, grollte Wallerich.
»Auch deinen Nachmittag. Weißt du, ich halte dich für den Fähigsten aus dieser ganzen Bande von …«
»Das heißt, wenn ich etwas so richtig verpatzen würde, hätte ich meine Ruhe vor dir?«
»Mach darüber keine Witze! Setz dich lieber. Kann ich dir einen Espresso anbieten?«
Wallerich sah das zähflüssige Gebräu, das Nöhrgel in seine Tasse tropfen ließ, und zog es vor, seinen Magen zu schonen.
Der Alte kippte den Espresso in einem Zug und stieß einen genießerischen Seufzer aus. »Im Grunde bin ich den Dunklen dankbar, dass sie ein bisschen Ärger machen. Ich war es leid, die unausgegorenen Ideen unseres spießigen Rates als einzige Herausforderung in meinem Leben zu haben. Jetzt hingegen ist es fast wie in einem Krimi.«
Wallerich dachte, dass er sich Krimis zwar ganz gerne ansah, aber nicht das geringste Interesse daran hatte, welche zu erleben.
»Wir beide sind so etwas wie der Stab. Ich bin dein Chef, und wenn du Mist baust, werde ich dich anschreien und dir damit drohen, dich vom Dienst zu suspendieren. Natürlich wird das deinen Ehrgeiz anstacheln, den Fall zu lösen.«
»Es gibt die Möglichkeit, vom Dienst suspendiert zu werden?«, fragte Wallerich hoffnungsvoll. Bislang war er sich noch gar nicht bewusst gewesen in einem Dienstverhältnis zu stehen.
Nöhrgel schien zu ahnen, was er dachte. »Ich meine natürlich, ich könnte dich vom Rat zu zwanzig Jahren Nebenan verurteilen lassen, wenn du Mist baust. Aber das will doch keiner von uns wirklich«, beschwichtigte er sofort wieder. »Kommen wir lieber zur Einsatzbesprechung. Du erhältst hiermit von mir das Kommando über sämtliche dienstfreien Torwächter. Den bürokratischen Kram mit dem Rat werde ich erledigen … Bis Einbruch der Dämmerung kontrolliert ihr sämtliche Adressen der Ui Talchiu in Köln. Irgendwo werden sich Cagliostro und sein Werwolf verstecken. Sobald du sie aufgespürt hast, meldest du dich bei mir. Noch vor Mitternacht trifft eine geheime Spezialeinheit ein. Dann stürmt ihr das Versteck, schnappt euch den Grafen und seinen Werwolf, stellt den Koffer sicher und passt auf, dass die Langen so wenig wie möglich davon mitbekommen. Ist doch alles ganz einfach!«
»Spezialeinheit? Wovon redest du da?«
»Von einigen zuverlässigen Gefährten, die uns die Kobolde Nordnorwegens zur Unterstützung schicken. Du wirst schon sehen, sie
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