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Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Herausgeber der zahnärztlichen Fachblätter weigern sollten seinen Artikel über dieses Geschöpf abzudrucken, dann würde er ihn sogar ohne weiteres an die Tagespresse verkaufen können. Vor seinem Geiste sah er schon die Schlagzeilen der Boulevardpresse. BEGNADETER KÖLNER ZAHNARZT FERTIGTE DIE ERSTE PROTHESE FÜR EINEN WERWOLF .
    »Haben Sie etwas dagegen, wenn ich eine Kamera hole und ein paar Fotos mache?«
    »Ka…mera?« Baldur wirkte unsicher und blickte zu Cagliostro.
    »Das ist doch so eine Bildermaschine, nicht wahr? Der Erlkönig hat mir davon erzählt. Machen Sie ruhig Fotos, Doktor.«
    Salvatorius sah im Geiste wieder die Schlagzeilen. Gespannt auf die Anatomie des Werwolfs beugte er sich vor. »Übel, ein Eckzahn ist an der Wurzel abgebrochen. Beide angrenzende Zähne sind beschädigt. Der Fremdkörper ist in mehrere Zahnzwischenräume gequetscht.« Er richtete sich wieder auf und sah zu dem Perückenträger, der offensichtlich die Entscheidungen traf. »Ich würde vorschlagen, wir versuchen es mit einer Brücke.«
    »Brücke?« Cagliostro strich sich mit dem Zeigefinger nachdenklich über die Lippen.
    »Issch will … nisscht …«, meldete sich Baldur panisch zu Wort. »Keine Brü…cksche … ischt doch kein Flusch …«
    Der Graf trat von hinten an den Behandlungsstuhl und strich dem Werwolf beruhigend über den Kopf. »Der Doktor wird schon wissen, was er tut, mein Guter.«
    »Das tut überhaupt nicht weh«, bestätigte Salvatorius und streifte sich Gummihandschuhe über. Aus einschlägigen Horrorfilmen wusste man schließlich, dass Werwölfe Lykanthropie übertrugen. Einen Moment lang überlegte er, ob er auch eine Bisssperre einsetzen sollte. Dann betrachtete er die verbogene Kette und ihm wurde klar, dass so etwas kaum helfen würde. Er musste dem Werwolf wohl vertrauen. In seinem Hinterkopf meldete sich bei diesem Gedanken eine leise, warnende Stimme. Doch Salvatorius dachte vor allem an die Schlagzeilen. Nein, keine Bisssperre, entschied er sich. Ein Arzt hatte doch keine Angst vor seinem Patienten! Er grinste. Auf einem Zahnarztstuhl waren alle gleich! Mit ruhiger Hand setzte er eine Trennscheibe auf die Turbine und beugte sich über Baldur. »Wenn Sie jetzt Ihr Mau… Ihren Mund ganz weit öffnen würden …«

5

    Als Till erwachte, war sein Zimmer in blassblaues Licht getaucht. Verschlafen blinzelte er und sah mit Erstaunen, dass der Computer lief. Dabei war er sich ganz sicher, das Gerät vor dem Schlafengehen ausgestellt zu haben. Er hatte über das Hausnetz eine Runde Diablo mit Bambam gespielt, aber jetzt scrollten die Seiten einer Textdatei über den Bildschirm.
    »Ist da jemand?«
    Als Antwort knarzte das Leder des hohen Sessels am Schreibtisch. Till schwang sich aus dem Bett. Es war sieben Uhr in der Früh, also eigentlich noch mitten in der Nacht, und wer immer glauben mochte, er sei in der Stimmung für dämliche Streiche, der hatte sich geirrt.
    Er trat an den Drehsessel, griff nach der hohen Lehne und zog den Sitz zu sich herum. Der Ledersessel war leer. Prüfend legte Till die Hand auf das Leder. Ganz vorne an der Kante war die Sitzfläche noch warm! Er hatte sich also nichts eingebildet! Jemand war hier gewesen. Aber warum?
    Die Datei mit der Adressliste der Ui Talchiu war geöffnet worden. Till blickte zum Rechner hinab. Ein Fingerdruck, und eine Diskette schnappte aus dem Laufwerk A.
    Sie hatte ein Universitätssiegel?! Solche Disketten benutzte niemand im Haus.
    Mit schnörkeliger Handschrift hatte jemand
    Verdächtige 1.1
    auf den Diskettenaufkleber geschrieben.
    »Wer herumschnüffelt, dem wird in die Nase gezwickt!«, erklang eine leise Stimme von der Tür.
    Till ließ den Sessel herumschnellen. Das Zimmer hinter ihm war leer. Die einzige Tür führte zum Flur. Sie stand einen Spaltbreit offen. »Was soll das? Wer ist da?«
    Keine Antwort. Diese Sorte Streiche war eigentlich unter dem Niveau seiner Freunde. Aber wenn sie es so haben wollten! Er spürte genau, wie ihn jemand von der Tür aus beobachtete. »Wenn ihr glaubt, mit solchem Unsinn könnt ihr mich beeindrucken, dann habt ihr euch geschnitten. Ich geh jetzt wieder ins Bett.« Betont lässig schlenderte er in Richtung der zwei übereinander gestapelten Matratzen, machte dann einen Satz zurück und riss die schwere Eichentür ganz auf. Der Flur dahinter war leer, aber eine der hölzernen Treppenstufen knarrte.
    Tills Jagdinstinkt war geweckt. Er rannte zur Treppe und sprang je zwei Stufen auf einmal hinunter, bis

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