Nebenan: Roman
Stund an trennen sich unsere Wege. Ich habe meine Mission gefunden!«
Marianas Auto parkte direkt vor der Haustür. Schon beim ersten Versuch fand er den richtigen Schlüssel, um den Verschlag dieser modernen Kutsche zu öffnen. Mit klopfendem Herzen ließ er sich hinter dem Lenkrad nieder, steckte den Schlüssel ins Zündschloss und gab Gas. Das Auto heulte auf, bockte wie ein störrisches Maultier, schoss ein Stück vor – und blieb mit einem Ruck stehen und verstummte. Pferde zu reiten war einfacher!
Beim dritten Versuch schaffte es der Erlkönig, hundert Meter zu fahren, bevor er den Wagen an der ersten Kreuzung erneut abwürgte. Für den Kilometer bis zur Inneren Kanalstraße brauchte er fast eine halbe Stunde. Langsam bekam er ein Gefühl für Kupplung und Gaspedal. Aber gleichzeitig noch auf Ampeln, Verkehrsschilder und andere Wagen zu achten war reichlich viel verlangt. Vielleicht hatte er die Menschen dieser wunderlichen Maschinenzeit doch unterschätzt. Sie mochten den Sinn für die Natur verloren haben, aber in der von ihnen geschaffenen Welt fanden sie sich offenbar bestens zurecht.
Im Rückspiegel erschienen kreisende, blaue Lichter. Sollte er anhalten? Der Erlkönig nahm den Fuß vom Gas. Ein grünweißer Wagen überholte ihn. Jemand winkte mit einer Kelle aus dem Fenster.
Der Elbenfürst fluchte stumm und hielt am Straßenrand. Ein dicker Kerl mit Lederjacke und weißer Mütze stieg aus dem Wagen vor ihm, rückte seinen Gürtel zurecht und schlenderte zu ihm hinüber. »Ihre Papiere bitte.«
Papiere? Er hatte davon in den theoretischen Unterlagen zur Führerscheinprüfung gelesen. Was sollte er tun? Den Polizisten einfach in eine Statue verwandeln und weiterfahren? Nein! Es war besser, nicht schon jetzt aufzufallen.
»Die Papiere!«, wiederholte der Beamte nun energischer und klopfte an das Wagenfenster. Es war ein hoch gewachsener, übergewichtiger Kerl. Sein rundes Gesicht wurde von einem buschigen, schwarzen Oberlippenbart geteilt, in dem einige Krümel klebten.
Der Elbenfürst kurbelte die Scheibe hinunter. »Tut mir Leid, ich habe meinen Führerschein wohl nicht dabei.«
»So. Dann steigen Sie mal aus und kommen …« Der Beamte hatte sich vorgebeugt, um durch das Fenster zu blicken, und erstarrte. Eine Ewigkeit sah er in den Wagen. Sein Mund klappte auf und zu. Sein Atem roch nach Anisschnaps und Fischbrötchen.
»Maria! Maria, komm mal her!«
Die Beifahrertür des Streifenwagens schwang auf. Eine junge Polizistin stieg aus. Sie hatte ihr langes, blondes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. Die Uniform stand ihr gut, dachte der Erlkönig. Weibliche Stadtwachen, so etwas hatte es zu seiner Zeit nicht gegeben. Noch ein echter Fortschritt! Sie schien ihren Dienst sehr ernst zu nehmen. Ihre freundlichen blauen Augen standen in starkem Kontrast zu den schmalen, zusammengekniffenen Lippen. Marias Rechte lag auf der Waffe am Gürtel. »Ist was nicht in Ordnung?«
»Nein … Ja … Bitte komm doch mal. Ich glaube … Also … Wir haben hier einen … Geisterfahrer .«
»Geisterfahrer? Wieso, der Kerl war doch auf der richtigen Spur. Er hatte sein Licht nicht an, aber das …«
»Kommst du bitte!«, schrie der Polizist mit sich überschlagender Stimme.
Der Erlkönig blickte zu dem Ring, der auf den Armaturen lag. Er hatte ihn nicht angesteckt, weil er befürchtete, dass die Heinzelmännchen merken würden, wenn er ihn aktivierte. Noch brauchte er ihn nicht. Der Fürst betätigte den Lichtschalter. Dumm, das zu vergessen!
»Jesus Maria!« Der Streifenbeamte machte einen Satz auf die Straße.
»Was ’n los, Kowalski?«
»Kuck in den Wagen, verdammt! Da … da ist nichts !«
»Dir ist wohl dein Raki zu Kopf gestiegen.« Die Polizistin beugte sich vor und blinzelte ins Wageninnere. »Wo steckt der Fahrer? Hast du ihn etwa entwischen lassen, Kowalski?« Sie sah zu den Büschen am Straßenrand.
»Und die Scheinwerfer? Die sind doch gerade erst … Ich sag dir, da drin ist ein … Geist.«
Die Polizistin blickte zum Wagen und dann zu Kowalski. »Vielleicht ein Wackelkontakt … Mit dem Licht, meine ich …«
»Und wer hat die Karre gefahren? Nee, nee, das Ding ist nicht geheuer. Wir sollten Verstärkung anfordern oder … Das ist es. Das Erzbistum! Die sollen uns ’nen Experten für so was schicken und …«
»Bist du noch ganz dicht? Ich habe keine Lust, auf Jahre zum Gespött der Wache zu werden! Für mich ist der Fall klar. Der Fahrer ist abgehauen und es gibt einen
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