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Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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und sich seine Jacke unter der linken Schulter verdächtig ausbeulte, wich er einen Schritt zurück. Wahrscheinlich hätte er Till schon mit einem Fingerschnippen eine Rippe brechen können, aber vor Schwertern und Leuten, die damit umgehen konnten, hatten selbst solche Gestalten einen Heidenrespekt. Wie gut, dass es asiatische Actionfilme gab, dachte der Student und baute sich breitbeinig mitten in der Künstlerkabine auf. Neben den Spinden lehnten sieben Schwerter.
    »Na los, du hast die Wahl der Waffen!«
    Der Türsteher blickte unsicher zu Martin und suchte in dessen Gesicht nach einem Indiz dafür, dass Till einen Scherz machte. Doch Martin zuckte nur mit den Schultern. »Er kann doch nichts dafür, dass du diese dämliche Kapsel verschluckt hast.«
    »Genau«, bestätigte der Fleischberg. »Cool, Kumpel. Cool. Ich bring euch was zu trinken … Natürlich auf Kosten des Hauses.«
    Till bedachte den Muskelprotz mit einem letzten abfälligen Blick und drehte sich dann zu den Schminkspiegeln um. »Weißt du überhaupt, wie spät es ist, Martin? Ich werde meine Verabredung nicht mehr schaffen. Verdammt, sie wartet auf mich!«
    Schwerfällige Schritte entfernten sich über den Flur.
    »Eines Tages triffst du einen, der dein Angebot zum Duell annimmt.« Es lag eine Spannung in Martins Stimme, die überhaupt nicht zu dem sonst so ruhigen Alesier passte. »Was machst du dann? Ihn aufschlitzen? Was macht man mit einem Typen, der ein Schwert in der Hand hält, die Hosen gestrichen voll hat und glaubt, du wirst ihn jeden Moment umbringen? Ich finde deine Spielchen ziemlich überflüssig!«
    »Ich möchte dich mal sehen, wenn du um ein Rendezvous betrogen wirst«, fluchte Till. »Almat hatte versprochen, wir wären spätestens um Mitternacht wieder zu Hause. Jetzt ist es halb zwei!«
    »Brauchst du jetzt einen neuen Sündenbock? Wie hätte Almat wissen sollen, dass der Discobesitzer wartet, bis die Bude hier richtig voll wird? Und hör auf, mit den Fingern auf dem Tisch herumzutrommeln. Das Geräusch macht mich wahnsinnig!«
    Till hielt in der Rechten noch immer die Colaflasche und fingerte mit der anderen Hand an seinem kunstblutdurchtränkten Kostüm herum. Auch er hatte das rhythmische Ticken gehört und gedacht, es sei Martin. Sein Blick schweifte durchs Zimmer und blieb schließlich an dem winzigen Fenster über den Spiegeln hängen. Hinter der Scheibe war etwas Helles zu sehen.
    Martin schien es im selben Augenblick wie er bemerkt zu haben. Der Musiker ging zum Fenster hinüber. »Unglaublich. Eine Möwe! Sie hämmert mit dem Schnabel gegen das Glas.« Martin machte eine hastige Bewegung mit der Hand, um sie zu verscheuchen, doch der Vogel blieb sitzen.
    Beunruhigt stand Till auf und kletterte auf den Schminktisch, um möglichst dicht an das hoch gelegene Fenster heranzukommen. »Diese Möwe … Das ist das Mistvieh, das mir in der Eifel auf den Kopf geschissen hat.«
    Martin lachte. »Wie willst du eine Möwe wiedererkennen?« Auch er stieg jetzt auf den Tisch, um das Tier näher zu betrachten.
    »Sie hat denselben bösartigen Blick wie die Möwe in der Eifel«, erklärte Till. »Glaub mir, mit diesem Vogel ist etwas … Das kann kein Zufall sein, dass er hier ist.«
    »Ich glaube eher, mit dir ist etwas. Pass auf, ich werde dir jetzt zeigen, dass an dem Vogel nichts Besonderes ist!« Martin griff nach dem Fensterriegel und zog ihn zurück.
    »Nicht! Wenn du wüsstest …« Till wollte ihm in die Hand fallen, doch es war zu spät! Eine Windböe drückte das Fenster auf. Martin versuchte nach dem Vogel zu greifen und holte sich eine üble Schramme, als die Möwe nach seiner Hand hackte und dann über ihrer beider Köpfe hinweg ins Zimmer hüpfte, um mit weit ausgebreiteten Flügeln auf dem schäbigen Linoleumboden zu landen. Dabei stieß sie einen kreischenden Laut aus, der entfernt an triumphierendes Gelächter erinnerte.
    »Ich sag doch, mit dieser Möwe stimmt was nicht«, beharrte Till und sprang vom Tisch. Der Vogel hüpfte ein Stück in Richtung Tür und blieb dann stehen, um die beiden mit schief gelegtem Kopf zu mustern.
    Auch Martin war inzwischen vom Tisch geklettert und kramte in der Tasche, die er vor dem Spind abgestellt hatte, nach einem Pflaster für seine Hand. »Was machen wir mit dem Geier? Verdammt … Ich weiß gar nicht, ob ich noch eine gültige Tetanusimpfung habe. Klasse … Ich möchte nicht wissen, wo dieses Miststück von einem Vogel seinen Schnabel alles hineinsteckt. Ich muss zum

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