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Nebenan: Roman

Nebenan: Roman

Titel: Nebenan: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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warm bis zum Gürtel hinab, staute sich dort einen Moment und schwappte dann auf den Oberschenkel, um sich einen Weg bis zu den Stiefeln zu suchen. Till presste die Hand auf die Seite und zog sie hastig wieder zurück. Die ganze Handfläche war dunkelrot verschmiert.
    »Mach ihn alle, Schotte!«, schrie eine Frauenstimme aus der Finsternis. »Schneid ihn in Scheiben!«
    Der Student versuchte sein Schwert zu heben, als der berockte Krieger erneut angriff. Sein Gegner brauchte nur einen Schlag, um ihm die Waffe aus der Hand zu prellen. Mit einer Fußangel und einem gleichzeitigen Stoß vor die Brust brachte ihn der Schotte zu Fall.
    Kreischende Stimmen forderten den Krieger auf, die Sache zu Ende zu bringen. Doch statt darauf einzugehen stellte sich der Schotte breitbeinig über Till und fächelte ihm grinsend mit seinem Rock ein wenig Luft zu.
    »Gnade«, wimmerte der Student. »Gib mir den Stahl, aber nicht das!« Seine Stimme ging in schallendem Gelächter unter.
    »Der Schotte Brian O’Cloud besiegte den Scheich Ahmed ibn Saif Ramassud«, verkündete der DJ der Show mit sich überschlagender Stimme. »Nun ist es an euch, zu bestimmen, ob der Scheich noch einmal in den Ring steigen soll, weil er sich tapfer geschlagen hat und ihr ihn wieder kämpfen sehen wollt, oder ob Brian seinen Kreuzzug nun beenden soll.« Der Discjockey zog in diesem Moment die ersten Takte von Who wants to live forever von Queen hoch. Rolf, der Schotte, grinste breit und hob sein Schwert über den Kopf. Die Menge grölte immer lauter und der Moderator übertönte das Geschrei noch. »Halten wir es wie die Römer. Wer will, dass Ahmed bleibt, hebt den Daumen.«
    »There is no time for us …«, hallte Freddie Mercurys Stimme aus Dutzenden von Lautsprechern, und die Scheinwerfer ließen ein Blitzlichtgewitter auf den Boxring niedergehen.
    »Tja, ich fürchte, es sieht schlecht für dich aus, Scheich«, höhnte der DJ. »Ich sehe hier kaum jemanden, der für dich stimmt. Schotte, mach Schluss!«
    Rolf hob sein Schwert und stieß es hinab. Till spürte einen leichten Druck auf der Brust und sah, wie ein großer dunkelroter Fleck auf seinem weißen Gewand erblühte. Widerliches Zeug, dieses Kunstblut, dachte er.
    »Als Nächste erleben wir den von allen gefürchteten Magyaren aus den undurchdringlichen Wäldern Transsilvaniens, der die düstere Morrigan aus dem grünen Irland fordert. Aber nun zeigt unserem Schotten noch einmal, was ihr von einem echten Krieger haltet!«
    Hunderte aufgepeitschter Jugendlicher schrien los und ließen Rolf hochleben. Triumphierend drehte er sich im Boxring und hob immer wieder sein Schwert über dem Kopf, während Martin und einer der Türsteher der Disco mit einer Trage kamen, um den Scheich von der Bühne zu schaffen.
    Till hasste diesen Teil der Show! Einen Toten zu simulieren fand er ausgesprochen abgeschmackt, und über die Idee mit dem Kunstblut wollte er auch noch ein paar Takte mit Almat reden. Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis sie endlich in dem engen Gang zu den Künstlerkabinen ankamen und er wieder von den Toten auferstehen durfte. Im Gegensatz zur Disco, wo man an nichts gespart hatte, waren hier die Wände aus nacktem Beton und es roch so, als wären die beiden kleinen Toiletten neben der Umkleide schon seit Wochen nicht mehr gesäubert worden.
    »Was ist denn los mit dir?«, fragte Martin ehrlich besorgt.
    Till griff wütend nach einer Colaflasche, die neben der Tasche mit seinen Straßenkleidern stand, und betrachtete gleichzeitig die großen Blutflecken auf seinem Gewand. Er wünschte, Almat wäre mit in die Umkleide gekommen. Mit Martin konnte man sich nicht richtig streiten. Er war einfach zu nett!
    »Ich habe meine Blutkapsel verschluckt«, brummte der Student missmutig.
    Der Türsteher grinste breit und lehnte die Trage an einen leeren Spind.
    »Was gibt’s da zu lachen? Bin ich vielleicht komisch? Stimmt irgendetwas nicht mit mir?« Er setzte die Colaflasche mit einem Knall auf den Tisch. »Wenn du willst, können wir uns gerne zwei Schwerter nehmen und die Sache draußen auf dem Parkplatz ausdiskutieren!«
    Der Türsteher sah aus, als sei er geradewegs dem Werbeschild eines Bräunungsstudios entstiegen. Seine Haut war von gleichmäßig künstlicher Farbe, und seine regelmäßigen, strahlend weißen Zähne verrieten auf den ersten Blick, dass er einen nicht unerheblichen Teil seines Gehalts zum Zahnarzt getragen hatte. Obwohl der Kerl einen Brustkorb wie der junge Schwarzenegger hatte

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