Nebenan: Roman
Einbauwohnung des Küsters ganz in der Nähe der Schatzkammer und ich kann Ihnen sogar sagen, wo der Dom noch heute an der Balustrade oberhalb des Daches mit Hakenkreuzen geschmückt ist und wie die beheizbaren Abwasserleitungen der teuersten Toilette der Stadt laufen.«
Roger wirkte irritiert. »Was für’n Klo?«
»Es gibt eine Toilette im Dachstuhl«, erklärte Cagliostro gönnerhaft. »Sie gehört zu den Werkstätten, die die Dombauhütte dort oben unterhält. Damit die Rohre im Winter nicht platzen …«, Cagliostro grinste breit, »… und die ganze Scheiße dann an den Mauern des Doms hinabläuft, hat man die Abwasserrohre mit einer Heizung versehen.«
»Sie sind gut informiert.« Roger schnippte spielerisch die Asche von der Zigarette. »Aber die Kenntnis über Abwasserrohre wird mir bei einem Bruch nicht weiterhelfen. Und falls Sie jetzt auf den Ventilatorschacht kommen, durch den die Stümper vor fünfundzwanzig Jahren eingestiegen sind, dann vergessen Sie’s gleich wieder. Der ist viel zu gut gesichert!«
»Ein Sicherheitssystem, zu dem man sämtliche Blaupausen besitzt, ist vermutlich nur noch die Hälfte wert«, erklärte Cagliostro ruhig.
»Da haben Sie wohl Recht. Aber um an die Pläne zu kommen, müssten wir einen Einbruch in …«
»Die Pläne liegen im Wagen meiner Begleiterin.«
Roger drückte die Zigarette aus. »Das ist ein verdammt dämlicher Scherz.«
»Sehe ich aus wie ein Mann, der scherzt?« Cagliostro fragte sich wieder, wie Mariana darauf gekommen war, dass der Kerl der Richtige sein könnte. »Ich sagte doch, ich verfüge über besondere Mittel. Alles, was mir noch fehlt, ist ein mutiger und begabter Mann, der die Ausführung übernimmt.«
»Nun reden Sie mal nicht um den heißen Brei herum. Was wollen Sie?«
»Das Dreikönigsreliquiar. Es gibt da etwas, was dort eigentlich nicht hineingehört, und genau das sollen Sie mir holen. Es ist eine Knochenflöte. In dem Reliquienschrein gibt es ein Brett, auf dem die Köpfe der Heiligen so nebeneinander gereiht sind, dass man sie durch ein kleines Fenster sehen kann. Hinter den Schädeln verborgen liegt die Knochenflöte.«
»Sie meinen, ich soll einen Sarg knacken?« Roger hatte sich erneut eine Zigarette angezündet.
»Das ist doch sicher kein Problem für dich.« Mariana blinzelte kokett. »Du bist doch der beste Dieb der Stadt! Hast du etwa Angst vor ein paar Toten?«
»Natürlich nicht!« Roger antwortete eine Spur zu hastig, um überzeugend zu wirken. »Und Sie haben wirklich die Pläne zu allen Sicherheitseinrichtungen?«
Cagliostro nickte.
»Wer schickt Sie? Ich meine, da kommt man doch nicht einfach so dran. Sind Sie von der Russenmafia?«
»Sehe ich etwa aus wie ein Russe?«, empörte sich der Graf. »Ich komme aus Palermo!«
»Die italienische Mafia also … Ihr wollt die Heiligen zurück, nicht wahr? Auf dem Rechtsweg geht da nichts. Das ist alles längst verjährt. Es ist mehr als achthundert Jahre her, dass die Kölner die Heiligen aus Mailand geklaut haben. Versuchen Sie nicht mir was vorzumachen. Ich hab ein Buch gelesen, in dem es darum ging, wie drei Ritter die Heiligen nach Köln geschafft haben. Und jetzt wollt ihr Italiener sie zurück. Deshalb soll ich das Reliquiar aufbrechen …«
»Es geht nur um die Knochenflöte! Ich habe nicht das Geringste mit irgendwelchen sizilianischen Viehdieben zu tun. Ich bin Privatmann! Und Sie werden nur diese Flöte aus dem Sarg holen.« Cagliostro war nun endgültig mit seiner Geduld am Ende. Warum sollte er mit dem Kerl diskutieren, wenn er die Macht hatte, seine Gedanken zu manipulieren? Er konzentrierte sich und sah, was Roger im Innersten bewegte. Deshalb also hatten sie sich in der Nähe des Pascha getroffen. Der Graf musste schmunzeln. Er beschloss die Pläne des Diebs für diese Nacht ein wenig durcheinander zu bringen. Roger würde keine Gelegenheit haben, sein Silber ins Pascha zu tragen! Cagliostro hatte keine Lust, diesem Kerl lang und breit zu erklären, in welches Verwaltungsgebäude des Erzbistums er eingebrochen war, um an die Pläne der Alarmanlagen zu kommen, oder warum es ihm unmöglich war, den Dom zu betreten und den Einbruch selber durchzuführen. Er mochte den Kerl nicht, und je schneller diese Angelegenheit zu einem Ende gebracht war, desto besser! Roger würde in den Dom einsteigen, die Knochenflöte bekommen und so viel herbeigezaubertes Silber erhalten, wie nötig war, um ihn zufrieden zu stellen.
Cagliostro fragte sich, ob Mariana wohl
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