Nebenan: Roman
ernsthaft erwartete, dass er nett zu ihrem Bekannten war. Jede Sekunde, die er mit diesem Stutzer verbrachte, war doch die reine Zeitverschwendung! Ob Roger wohl einmal eine Affäre mit Mariana gehabt hatte? Über so etwas sollte er sich keine Gedanken machen! Diese Sache musste jetzt zu einem Ende gebracht werden. Zum Glück gab es eine Möglichkeit, dieses lästige Gespräch abzukürzen. Er würde sich erlauben, ein wenig am Ehrgefühl des Diebes zu manipulieren. Die Kunst, den Geist eines Menschen zu beherrschen, war vielleicht die nützlichste aller magischen Fähigkeiten, über die er nun verfügte.
Wie sich zeigte, war Roger für derartige Eingriffe äußerst empfänglich. »Ihnen ist die Sache also zu riskant?«, fragte der Graf wie beiläufig.
» Zu riskant gibt’s für mich nicht!« Roger wirkte richtig glücklich, als er sagen durfte, was Cagliostro ihm eingegeben hatte.
»Und Sie würden sich auch sofort mit uns auf den Weg machen?«
»Klaro!« Er deutete auf ein kleines Auto, das vor der Imbissbude parkte. »Mein Werkzeug hab ich immer dabei! Liegt unter ’nem doppelten Boden im Kofferraum von meinem Mini.«
»Na, dann kann es ja losgehen.«
Im Hinausgehen drängte sich Mariana an Cagliostros Seite. »Wie hast du das geschafft?«, flüsterte sie.
Der Graf schenkte ihr sein gewinnendstes Lächeln. » Du weißt doch um meinen unwiderstehlichen Charme. Übrigens … Woher kennst du den Kerl eigentlich?«
»Er ist ein großer Fan meiner Pilze und bezieht gelegentlich auch andere Kräuter, die ihm helfen seinen Mann zu stehen.«
Cagliostro lachte. »In anderen Zeiten hättest du eine erstklassige Hexe abgegeben, meine gefährliche Verführerin.«
*
Die Friseuse stoppte den Wagen und deutete auf ein großes, blau gestrichenes Tor. »Dort wohnt Joe.« Gabi schaltete die Scheinwerfer ab. »Er will dich unbedingt kennen lernen. Aber sei vorsichtig. Er ist sehr misstrauisch. Er glaubt nicht, dass du ein Vulkanier bist.«
Der Erlkönig spreizte die Finger, so wie es Spock bei Raumschiff Enterprise tat. »Ich werde ihn überzeugen.«
»Wenn du wenigstens deine Uniform tragen würdest. Joe mag Uniformen, das würde vielleicht helfen …«
Der Elbenfürst ignorierte Gabis weitere Einwände und öffnete die Tür. Nach allem, was die kleine Friseuse erzählt hatte, war Joe ein interessanter Mensch. Ein wenig verbohrt und sonderbar vielleicht, aber vermutlich ein nützlicher Gefolgsmann.
Die Gegend, die Joe für sein Quartier gewählt hatte, gefiel dem Erlkönig. Es war ein altes Industriegebiet am Westrand von Köln. Überall überwucherten Brombeerbüsche bröckelnde Ziegelsteinmauern. Die Wurzeln der Bäume hatten den Asphalt der engen Straße aufplatzen lassen, die sich zwischen einzelnen Grundstücken wand. Bei Nacht schien hier alles wie ausgestorben. Die niedrigen Hallen mit den schäbigen Dächern aus altersgrauer Dachpappe oder rostigem Wellblech waren dunkel. Kein einziges Fahrzeug war ihnen auf der Straße entgegengekommen. Und doch waren es nur ein paar hundert Meter von hier aus zum Militärring, der mit gleich drei Autobahnzubringern verbunden war. Joes Unterkunft lag ideal für die Pläne, die der Erlkönig hatte. Die Einfahrt auf das Gelände war groß genug, um einen Lastwagen passieren zu lassen. Neben dem großen Tor gab es eine kleine Tür. Sie war nur angelehnt. Über einer Klingel war ein, vergilbtes Namensschild angebracht.
JOE PANDUR –
JOE-BEWEGT-ALLES-TRANSPORTDIENST
Der Elbenfürst stieß die Tür auf.
»Nicht!« Gabi packte ihn am Arm und zog ihn zurück. »Du musst klingeln. Joe holt uns dann ab. Wenn du einfach reingehst, packt dich Blau!«
»Blau?«
Noch bevor Gabi antworten konnte, erklang ein drohendes Knurren jenseits der Tür. Steifbeinig stakste ein schwarz-weißer Bullterrier aus der Finsternis auf sie zu. Die Lefzen zurückgezogen, zeigte er zwei Reihen makellos mörderischer Zähne. Plötzlich erstarrte er mitten in der Bewegung. Er sah zum Erlkönig auf, klemmte den Stummelschwanz zwischen die Hinterbeine und stieß ein erbärmliches Jaulen aus.
»Du wirst uns jetzt zu deinem Herren bringen«, sagte der Elbenfürst ruhig. Kein Tier vermochte sich seinem Willen zu widersetzen. Die meisten gehorchten ihm freiwillig. Nur selten musste er seine magischen Kräfte benutzen, um ein Geschöpf wie diesen hasserfüllten Hund zu beruhigen. Etwas stimmte mit Blau nicht. Der Erlkönig konnte die Gedanken von Tieren spüren. Und dieser Hund war sonderbar. Er schien
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