Nebenweit (German Edition)
bedankte.
»Was meinst du, wollen wir auf der Terrasse essen oder im Haus?«, fragte Carol. »Ich habe mal drinnen alles vorbereitet, weil es vielleicht doch zu kühl werden könnte.«
»Ganz wie du meinst, ich will nur vorher kurz duschen. Die zehn Stunden Flug stecken mir noch in den Knochen«, erwiderte ich und eilte mit meiner Tasche die Treppe hinauf. Das war eine Angewohnheit aus den frühesten Tagen meiner beruflichen Tätigkeit: Wenn ich eintraf, gleich ob im Hotel oder zu Hause, wurde sofort ausgepackt. So hielt ich es auch jetzt, obwohl die Tasche außer zwei gebrauchten Hemden, einem Pyjama und Unterwäsche nur einen Anzug enthielt, den ich ordentlich auf einen Bügel hängte. Erst dann stellte ich mich unter die Dusche und spülte an die zehntausend Kilometer Reise herunter.
Frisch rasiert und in einer frischen Jeans und Pullover fühlte ich mich wie ein neuer Mensch, als ich ins Wohnzimmer hinunterging. Der Tisch war wie für ein Fest gedeckt: Kerzen, schneeweiße Servietten, drei Gläser pro Gedeck und das silberne Besteck, das Carol nur bei größeren Feierlichkeiten auflegte. Dazu in der Mitte ein großer Strauß Teerosen. Carol war nirgends zu sehen. »Was gibt es denn zu feiern?«, fragte ich etwas verwirrt in Richtung Küche, aber da kam keine Antwort. Dann hörte ich in Carols Bad die Dusche rauschen und sah mich nach einem Drink um, um mir damit die Zeit bis zu ihrem Erscheinen zu vertreiben.
Auch daran hatte sie gedacht, auf dem Glastischchen vor der Bar standen zwei Whiskygläser mit einer braunen Flüssigkeit, in der eine Cocktailkirsche schwamm. Manhattan on the Rocks – unser Lieblingsdrink. Als ich den zweiten Schluck nahm, kam sie die Treppe herunter. Sie hatte sich umgezogen und ihr Haar aufgelöst, das ihr jetzt in weichen Wellen auf die Schultern fiel. Bekleidet war sie mit einem halb durchsichtigen Etwas, das ich noch nie an ihr gesehen hatte, eine Art orientalisch gemusterter Kaftan in Türkis und Braun, der ihren leicht gebräunten Teint – oder war das Make-up? – besonders vorteilhaft zur Geltung brachte. Dazu hatte sie ein schlichtes Goldarmband und eine schmale Kette mit einem kleinen Diamanten angelegt, den zwei Ohrstecker ergänzten, bei denen ich mich sogar ganz gegen meine sonstige Gewohnheit erinnern konnte, wann und wo ich sie ihr gekauft hatte. Wann Bernhard sie ihr gekauft hatte, korrigierte ich mich leicht verblüfft …
»Wow!«, machte ich und setzte noch eine lang gezogenen Pfiff drauf. »Du hast wohl vor, mich zu verführen!«
Sie brachte es doch tatsächlich fertig, rot zu werden. Ich ging ihr entgegen, nahm ihre Hand und gab ihr eine Handkuss. »Ich hoffe, ich habe das genauso gut hingekriegt wie unser Freund Jacques Dupont«, scherzte ich und spürte dabei die Spannung, die zwischen uns beiden die Luft förmlich zum Knistern brachte.
Carol Lukas
27
Habe ich Bernhard betrogen?, nagte es an meinem Gewissen, wenn ich zu dem friedlich schlafenden Bernd im Bett neben mir hinübersah. Seine Züge waren ganz entspannt, fast kindlich wirkten sie, wie er so dalag und gelegentlich einen leisen Schnarchlaut von sich gab. Ich war seit einer Stunde wach, bewegte mich aber kaum, um ihn nicht zu wecken. Wir hatten uns bis zur Erschöpfung geliebt, er war mir unersättlich vorgekommen, wie er mich immer wieder an sich gezogen und sich wie ein Ertrinkender an mich geklammert hatte, bis er schließlich schweißgebadet eingeschlafen war.
Es war für uns beide eine Erlösung gewesen, als wäre ein Bann gebrochen, der mit jenem schrecklichen Augenblick begonnen hatte, als zuerst er und gleich darauf ich erkannt hatten, einem/einer Fremden gegenüberzustehen, auch wenn da nichts, aber auch gar nichts war, was das Gegenüber vom wahren Lebenspartner unterschied. Im ersten Augenblick hatte ich diesen Fremden gehasst, der da vor mir gesessen hatte.
Ich hatte seine Nähe nicht ertragen, die Vorstellung, er könne mich berühren oder könne mein Sehnen nach dem geliebten Mann missverstehen. Doch dann, in der vertrauten Umgebung meiner Familie, in Savannah, war mir klar geworden, dass die Trennung keine Lösung war, dass ich mich von meiner Familie trotz aller Liebe und Zuneigung zu weit entfernt hatte, um mit ihr ein neues Leben zu beginnen. Zuerst hatte ich geglaubt, das liege an den ärmlichen Lebensumständen in der Konföderation, aber die wären zu ertragen gewesen, vielleicht sogar – obwohl ich mich dieser Regung schämte – die Trennung
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