Nebenweit (German Edition)
großen Augen an und hantierte gedankenverloren mit dem Stab, den er als Zeichen seines Amtes immer bei sich führte.
»Wie schon angedeutet habe ich Lukas nicht gesagt, dass wir in seiner Welt nicht nur Schüler, Studenten und Beobachter unterhalten, sondern dass uns der Konflikt mit den Traditionalisten gezwungen hat, dort auch Leute aus dem Zuständigkeitsbereich von Sardix zu stationieren, die für unsere Sicherheit verantwortlich sind. Bis jetzt wurden diese Männer nur gebraucht, wenn es darum ging, irgendwelche Spuren unseres Handelns zu verwischen, aber als letzte Woche Antolax’ Leute einen der Anderweltler entführten, musste ich ihnen einen Kommandoeinsatz befehlen, den sie übrigens mit Bravour erledigt haben. Der Anderweltler, er heißt Mortimer, befindet sich im Gewahrsam meines Instituts und wird derzeit von Bernd Lukas betreut. Doch auch das hätte mich noch nicht dazu veranlasst, euch mit meinem Anruf gestern Abend zu dieser Sondersitzung einzuladen. Das hätte auch bis zum nächsten Routinetreffen warten können.«
Ich hielt kurz inne und griff nach dem Blatt mit Notizen, das ich aus der Anderwelt mitgebracht hatte, warf einen Blick darauf und legte es wieder auf den Tisch. Völlig überflüssig, übrigens. Was ich zu sagen hatte, bedurfte keiner Notizen. Aber die kleine Pause half mir, meine eigene Erregung unter Kontrolle zu halten.
»Spann uns nicht auf die Folter, Obertix«, forderte Bolax mich schließlich auf. »Wenn du schon einen Anderweltler, ohne uns zu fragen, in unser Geheimnis einweihst und nichts dabei findest, das Gesetz zu brechen – ich will dich damit nicht tadeln, deine Begründung leuchtet ein –, muss ja etwas ganz Schlimmes passiert sein.«
Ich nickte. »Richtig, das ist auch der Fall. Es gibt Hinweise darauf, dass Antolax und seine Leute Mittel und Wege gefunden haben, Anderweltler rutschen zu lassen –«
Weiter kam ich nicht. Alle waren aufgesprungen, redeten wild durcheinander und gestikulierten. »Unmöglich!«/»Gibt es nicht!«/»Unvorstellbar!«, hallte es mir entgegen. Ich wartete ab, bis etwas Ruhe eingetreten war und die drei wieder Platz genommen hatten, und hob dann die Hand, um mir wieder Gehör zu verschaffen. »Glaubt mir, ich bin genauso verblüfft wie ihr, aber es gibt untrügliche Hinweise«, setzte ich an.
»Und die wären?«, wollte Deborax wissen und beugte sich dabei interessiert über den Tisch. Sein tiefschwarzes Haar war ihm ins Gesicht gefallen, und er strich es mit einer ungeduldigen Geste weg. »Das haben unsere Gelehrten doch seit über hundert Jahren untersucht und immer wieder Experimente angestellt …«
»Das weiß ich und habe auch keine Erklärung«, pflichtete ich ihm bei. »Doch das ändert nichts an den Tatsachen. Andererseits sollten wir nicht vergessen, dass vor zweihundert Jahren auch niemand wusste, dass es andere Welten gibt und man sich in sie versetzen kann. Hätte das jemand vor dem Erlebnis der kleinen Artix behauptet, hätte man ihn vermutlich für verrückt erklärt. Und Verrückte hat man damals aus der Gemeinschaft ausgestoßen. Ein Glück, dass wir heute ein wenig zivilisierter geworden sind, sonst müsste ich vielleicht um meine Gesundheit fürchten.«
Das brachte sie zum Lachen und lockerte die Spannung wieder ein wenig, die den Raum wie eine Gewitterwolke zu füllen schien. »Im Bereich von Unterwössen sind im vergangenen Jahr drei Menschen spurlos verschwunden, allesamt im Bereich des Stützpunkts, den Antolax’ Leute in der Nähe von Lukas’ Haus errichtet haben. Lukas meint, wir wären für diesen Stützpunkt verantwortlich. Es handelt sich um eine Forsthütte, in dem Antolax’ Leute rutschen und sich treffen. Die habe ich übrigens niederbrennen lassen, als ich durch Lukas darauf aufmerksam gemacht wurde. Ich habe das widerstrebend getan, weil ich sie mit Lauschmikrofonen versehen hatte und auf die Weise viel über die Aktivitäten von Antolax’ Leuten erfahren habe. Auch den Kontakt mit Lukas verdanke ich diesen Abhörmikrofonen.«
Ich nahm einen Schluck Wasser aus dem Becher vor mir und blickte in die Runde. Wie es schien, hatten sich meine Kollegen inzwischen einigermaßen beruhigt, sodass ich fortfahren konnte. »Das eigentliche Alarmsignal war, dass man Mortimer entführt hat, diesen Mann aus der Amerikawelt, von dem ich berichtet hatte. Mich wundert, dass sie ihn nicht auch in die Germaniawelt geholt haben, sondern versucht haben, ihn an Ort und Stelle zu verhören.
Das hat für mich den
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