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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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Eigentlich früh für die Jahreszeit.
    Ich beschloss, Carol anzurufen, mit ein wenig schlechtem Gewissen übrigens, weil ich mich den ganzen Tag über nicht bei ihr gemeldet hatte. Sie meldete sich beim zweiten Klingeln und schien erfreut, meine Stimme zu hören. »Ich habe mir schon Gedanken gemacht, weil du gar nichts hast hören lassen. Dupont scheint dich ja voll in Beschlag genommen zu haben«, meinte sie.
    »Das kann man so sagen, ich war praktisch den ganzen Tag entweder mit ihm oder Mortimer zusammen, und da, muss ich zu meiner Schande gestehen, bin ich überhaupt nicht auf die Idee gekommen, mich mal zu melden«, entschuldigte ich mich. »Ich hoffe, du kannst mir das verzeihen und machst mir trotzdem eine Kleinigkeit zu essen zurecht. Oder wollen wir auswärts essen?«
    »Nein, ich mache schon mal eine Flasche Rotwein auf, dann setzen wir uns vor den Kamin und du kannst mir erzählen. Gibt es Neues?«
    »Ja, Dupont muss zur Berichterstattung zu seinen Leuten, das hängt mit Mortimer zusammen. Aber es ist besser, wenn ich dir das zu Hause erzähle, ich denke ich sollte in einer halben Stunde da sein. Ciao.«
    »Ciao, und fahr vorsichtig, zurzeit ist Wild unterwegs.« Sie legte auf.
    Ob ich ihr sagen sollte, dass der andere Bernd – Bernhard – verschwunden war? Die Fairness verlangte das, aber es würde Carol nur beunruhigen. Mal sehen.
    Meine Gedanken wanderten zu dem Raum im Tiefgeschoss der Klinik, wo Frau Dr. Beauchamp mit einem jungen Mann vor einem Stereobildschirm gearbeitet hatte. Ich erinnerte mich an das seltsame Gefühl, das ich verspürt hatte, als der junge Mann plötzlich verschwunden war, malte mir in Gedanken die geometrischen Muster aus, die ich auf dem Bildschirm gesehen hatte … und hätte dabei beinahe die Autobahnausfahrt übersehen. Ich verdrängte die Bilder aus meinem Bewusstsein, um mich auf die gewundenen Straßen zu konzentrieren, die bei dem stärker gewordenen Schneetreiben meine ganze Aufmerksamkeit erforderten, wusste aber, dass mich diese Bilder noch eine ganze Weile beschäftigen würden.
    Hartnäckig taten sie das auch während der nächsten zwanzig Minuten, in denen ich mich der Zufahrt zu unserem Haus näherte, und ich war froh, als ich schließlich das Knirschen der Räder auf dem Kiesweg vernahm. Carol hatte die Außenbeleuchtung eingeschaltet, und als ich den Knopf der Fernbedienung drückte, schwenkte das Garagentor nach oben. Im Licht meiner Scheinwerfer konnte ich Carols kleinen Audi erkennen, den sie recht stiefmütterlich behandelte, seit sie sich an den Komfort des schweren Geländewagens gewöhnt hatte. Ich lenkte den Mercedes an seinen Platz, stieg aus und schloss ihn an das Stromkabel an, eine Verrichtung, die mir inzwischen in Fleisch und Blut übergegangen war, und ging ins Haus.
    Carol hatte den Tisch im Wohnzimmer gedeckt und saß vor einem Glas Wein. Im Hintergrund lief das Fernsehen, wieder eine dieser unvermeidlichen Talkshows. In dem Punkt schien es kaum einen Unterschied zwischen meiner und dieser Welt zu geben, selbst die Gesprächsteilnehmer, die neben dem Moderator saßen, waren weitgehend die Leute, die ich auch aus meiner Welt kannte. Etwas erheiternd war dabei nur, dass sie hier teilweise einer völlig anderen politischen oder gesellschaftlichen Couleur angehörten.
    »Das war heute aber ein langer Tag für dich«, begrüßte mich Carol, die aufgestanden und mir entgegengegangen war. Sie drückte mich an sich und blickte mir dann nach, als ich mir die Schuhe auszog und kurz in die Gästetoilette verschwand, um mir die Hände zu waschen.
    »Und, was gibt es Neues?«, wollte sie wissen, als ich mich gesetzt und den ersten Schluck Wein genommen hatte. »Wie geht es dem armen Frederic Mortimer? Begreift er inzwischen, was mit ihm passiert ist?«
    Ich wehrte ab: »Lass mich das der Reihe nach erzählen, das ist alles wesentlich komplizierter, als ich gedacht hatte …«
    In der folgenden halben Stunde brachte ich Carol auf den aktuellen Stand und erwähnte auch meinen Verdacht, dass die Gruppe um Antolax wohl für das Verschwinden der Vormieter unseres Hauses verantwortlich war und dass durchaus die Gefahr bestünde, dass man auch mich entführt, wir daher äußerst vorsichtig sein müssten.
    Ich hielt inne und sah Carol an, die mir stumm zugehört hatte. Wieder einmal wurde mir bewusst, wie sehr sie doch ›meiner‹ Carol glich, nicht nur äußerlich, sondern auch in ihrer Fähigkeit zuzuhören, wenn es um wirklich wichtige Dinge ging. Ich nahm

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