Nebenweit (German Edition)
Britannia herrschenden Arbeitslosigkeit wie ein Indiz für das Vertrauen in die boomende Wirtschaft in der Europäischen Föderation sein. Ich musste lächeln. Ähnlich sibyllinisch kannte ich das auch von den Kommentatoren »zu Hause«, wenn Dollar und Euro wieder einmal Kapriolen schlugen.
37
Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter. Carol. Ich hatte nicht bemerkt, dass sie ins Zimmer getreten war, dabei hatte ich die Tür hinter mir geschlossen, um sie nicht im Schlaf zu stören. »Du kannst wohl nicht schlafen«, meinte sie und strich mir dabei mit beinahe mütterlicher Geste übers Haar. »Whisky so früh am Morgen?« Sie griff nach dem Glas und nahm einen Schluck. »Aber das soll ja gegen schädliche Bakterien schützen, und schließlich steht der Winter vor der Tür.« Sie ging ans Fenster und schob den Vorhang zur Seite. In der sternklaren Nacht strahlte die Mondsichel so hell, dass man jede Einzelheit erkennen konnte, so auch, dass der schon am Abend begonnene Schneefall sich in der Nacht fortgesetzt hatte und die Rasenfläche hinter dem Haus ein paar Zentimeter hoch bedeckt war.
»Gut, dass wir im Garten noch Ordnung geschaffen haben«, meinte ich. Ich war neben sie getreten und blickte hinaus. »Aber sieh mal, was ist das? Das sind doch Fußspuren!« Von der Hecke am hinteren Grundstücksrand führten deutliche Schrittspuren zum Haus, entfernten sich dann wieder in Richtung Garage und endeten dort am Rand unseres Sichtwinkels.
Carol drehte sich um und sah mich aus geweiteten Augen an. Ich bemerkte, wie sie trotz des flauschigen Morgenrocks fröstelte. »Da beobachtet uns jemand«, hauchte sie. »Meinst du, das hängt mit, du weißt schon, Dupont und all dem zusammen?«
Ich nickte stumm, überlegte. Dass wir unter Beobachtung standen, war mir schon seit Wochen bewusst, aber die Spuren im Schnee waren der erste greifbare Beweis dafür. Nicht besonders geschickt, dachte ich. Augenscheinlich hatten wir es mit Amateuren zu tun, die nicht darauf achteten, dass Spuren beseitigt werden mussten. Ich wusste nur nicht, ob ich mich darüber freuen sollte. Amateure waren gefährlicher als Profis, das wusste schließlich jeder Leser einschlägiger Literatur. Doch dieses erstmalige Auftauchen von Spuren bedeutete ja keineswegs, dass die Beobachter heute zum ersten Mal um unser Haus geschlichen waren. Der Schnee hatte ihre Spuren bloß auch dem ungeschulten Auge sichtbar gemacht.
»Das Unangenehme ist nur, dass uns niemand richtig helfen kann. Polizei kommt nicht infrage, darüber waren wir uns ja schon einig …«
»Ja, ich weiß. Klapsmühle«, lachte sie.
Ich nahm sie in die Arme. Meine tapfere Carol!
»Bleibt nur Dupont, bei dem mir immer deutlicher bewusst wird, dass hinter dem Mann mehr steckt, als ich ursprünglich angenommen hatte. Ich nehme an, er wird spätestens morgen früh zurück sein.« Ich stand auf und setzte mich in Richtung Ankleidezimmer in Bewegung. »Für den Augenblick würde ich vorschlagen – da wir ja nun schon einmal wach sind –, dass wir den Tag heute ein wenig früher beginnen. Ich ziehe mich jetzt an und sehe mich mit Charlie draußen um, unterdessen kannst du uns ja Frühstück machen. Was meinst du?«
Carol nickte bloß stumm, sichtlich immer noch damit beschäftigt, den Gedanken an Beobachter in unserem Garten zu verarbeiten, und ging ins Bad.
***
Charlie schnupperte interessiert an den Spuren vor dem Haus, folgte ihnen zur Garage, schnupperte dort eine ganze Weile herum und folgte ihnen dann zum Haus zurück, ums Haus herum zur Auffahrt und von dort über die Steigung, die sich hinter unserem Grundstück fortsetzte, hinauf in den dichten Fichtenwald. Dann erlosch sein Interesse, besser gesagt, es wandte sich dem frischen Schnee zu, der ihn, wie wohl die meisten Hunde, faszinierte. Nachdem er seine üblichen Bäume gründlich und auch der Bedeutung des Vorgangs bewusst mit großem Ernst markiert hatte, kehrten wir nach den üblichen zwanzig Minuten zum Haus zurück, wo mich unter der Tür der Duft von frischem Kaffee begrüßte.
Carol hatte das Fernsehen eingeschaltet, und die gleiche junge Dame, die mir schon vor eineinhalb Stunden die Lage auf dem Devisenmarkt zu erklären versucht hatte, tat dies mit den gleichen Worten erneut und wich dann einer Sportjournalistin, die vom gestrigen Spiel in der Europaliga berichtete, in dem der FC Bayern seine Spitzenposition erfolgreich gegen Real Madrid verteidigt hatte. Der Wetterbericht schloss sich an, und
Weitere Kostenlose Bücher