Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
Vom Netzwerk:
morgen eine Raumfähre mit Kurs Europa, dem kleinsten der vier großen Jupitermonde, absetzen und dort einen Landungsversuch unternehmen. Damit werden wir alle recht intensiv beschäftigt sein – so viel noch einmal zum Thema Langeweile – und uns daher die nächsten Tage auf den rein dienstlichen Verkehr mit der Einsatzleitung beschränken. Heute aber möchte ich die Frühaufsteher mit einem besonders schönen Blick auf den größten Planeten unseres Sonnensystems belohnen.«
    Er beugte sich etwas zur Seite und zog einen Bildschirm zu sich heran, bis dessen Bild den gesamten Aufnahmebereich erfasste. Mir stockte der Atem. Über meinem Schreibtisch hing plötzlich ein etwa dreißig Zentimeter großer, vorwiegend bräunlich roter, an den Polen stark abgeplatteter Ball, den Bänder in unterschiedlichen roten, braunen, orangen Schattierungen bedeckten und aus dem mich etwa mittig ein roter Fleck wie ein bösartiges Auge anstarrte. Das Bild des Planetenriesen war mir natürlich seit frühester Jugend vertraut. Mein Interesse an Astronomie und Weltraumfahrt hatte schon auf dem Gymnasium begonnen, aber es war doch ein gewaltiger Unterschied, ob man diesen riesigen Gasball auf einem Foto in einem Lexikon, meinetwegen auch später als Fernsehbild aus den Kameras einer Raumsonde oder so wie jetzt in seiner ganzen Majestät und beinahe zum Greifen nahe vor sich über dem Schreibtisch sah.
    Die Stimme von Kapitän Dumas riss mich aus meiner Faszination. »Sie können deutlich den Großen Roten Fleck erkennen, einen in westlicher Richtung ziehenden Wirbelsturm, etwa doppelt so groß wie unsere Erde, der bereits seit über 300 Jahren andauert – so lange beobachten ihn unsere Astronomen schon. Interessant ist ein vielleicht nicht so gut bekanntes Phänomen, das ich Ihnen zeigen möchte, nämlich einen weiteren Wirbelsturm, der sich in entgegengesetzter Richtung bewegt und vor acht Jahren fast mit dem Roten Fleck kollidiert wäre. Man nennt ihn gelegentlich Roter Fleck Junior. Die Kosmo-Meteorologen haben sich bis jetzt noch nicht darüber einigen können, was für Folgen eine solche Kollision haben könnte.
    Ich will Ihnen – ja, was ist denn?« Im Hintergrund waren Stimmen zu hören, das Bild des Planeten verblasste und Kapitän Dumas’ Gesicht erschien wieder. »Tut mir leid, ich werde gerade auf eine Störung im Triebwerksbereich hingewiesen und muss diese Sendung abbrechen. Aber keine Sorge, wir haben die Geschichte im Griff.«
    Sein Bild verschwand und man konnte jetzt den Kommentator der Bodenstation in Kourou, M. Leclerc, sehen. »Liebe Zuschauer, mit solchen kleinen Störungen muss man immer rechnen. Ich hoffe, dass wir Sie bald wieder mit weiteren interessanten Berichten aus dem Jupiterorbit informieren können. Ich übergebe jetzt wieder an die verschiedenen Sendestudios, Sie sahen eine Übertragung aus der Sendezentrale der Europäischen Raumfahrtagentur. Gute Nacht – oder besser gesagt: Guten Morgen.«
    Das vertraute Logo des Bayrischen Fernsehens erschien und gleich darauf das mir inzwischen vertraute Studio und die Nachrichtensprecherin. »Guten Morgen, Deutschland«, tönte sie fröhlich in die Kamera, während ich mich zurücklehnte und mich noch im Jupitersystem wähnte. Seltsam, ich hatte die letzten Wochen keine Tageszeitung ausgelassen, aber von dieser Weltraummission, die doch weit über die Raumfahrtaktivitäten meiner Zeitlinie hinausging, war nirgends die Rede gewesen. Aber das lag vermutlich daran, dass man uns hier nach meiner Schätzung in Fragen der Raumfahrt um gute zwanzig Jahre voraus war, sodass eben solche Einsätze eher alltäglich waren.
    Ich versuchte mir auszumalen, was es da neben bemannten Expeditionen zum Jupiter sonst noch alles geben mochte. Von der Mondstation hatte ich schon gehört, ebenso von einem wissenschaftlichen Außenposten auf dem Mars, aber dieser Jupitereinsatz deutete darauf hin, dass man auch in der Antriebstechnik schon wesentlich weiter war, schließlich war in dem Beitrag von einem Ionentriebwerk die Rede gewesen, und so etwas hatte es in meiner Welt nur im experimentellen Stadium gegeben …
    Jetzt lief ein Beitrag von der Börse in Frankfurt, ein noch ziemlich junger Mann im Nadelstreifenanzug mit Gelfrisur und fast bis zum Kinn reichenden, zentimeterbreiten Koteletten setzte sich mit der augenblicklichen Stärke des Eurotalers gegenüber dem Yen und dem Britischen Pfund auseinander und erklärte, dies könne ebenso gut eine Schwäche des Pfund wegen der in

Weitere Kostenlose Bücher