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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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ich nahm zur Kenntnis, dass wir die nächsten Tage mit weiteren Schneefällen zu rechnen hatten. Mehr wollte ich nicht wissen und vermutete auch, dass jetzt irgend eine schmalzige Serie folgen würde, und rief: »Fernsehen ausschalten«, worauf das Bild sich in einem Farbwirbel auflöste. Inzwischen hatte ich mich daran gewöhnt, dass eine der großen Errungenschaften meiner Welt, die Fernbedienung, hier bereits zum Museumsstück geworden war.
    Carol war noch in der Küche, offenbar hatte sie auf den Toast gewartet, der soeben mit einem bis ins Esszimmer hörbaren Plopp aus dem Toaster hüpfte. »War was Neues im Fernsehen?«, erkundigte ich mich automatisch und setzte mich an den gedeckten Tisch.
    »Nein, bloß das Übliche. Rentenanpassung, ein Flugzeugabsturz in Südamerika und der letzte Bayernsieg«, fasste Carol die tagesaktuellen Ereignisse in Stichworten zusammen, während sie mir den Kaffee einschenkte. »Und du? Hast du draußen irgend etwas entdeckt?«
    Ich schüttelte den Kopf. »Nein, Charlie hat zwar rumgeschnuppert, aber außer den Spuren war nichts zu sehen. Und die verlieren sich natürlich im Wald. Ganz geheuer ist mir das nicht, zumal ich keine Ahnung habe, wie wir uns gegen irgendwelche Angreifer schützen können. Dass die Polizei auf ein paar Fußspuren im Schnee hin uns niemand zu unserem Schutz schickt, haben wir ja gestern schon besprochen. Dupont ist da unsere einzige Hoffnung, und mit dem will ich das auch morgen besprechen. Ich habe ihm zugesagt, dass ich mich heute um Mortimer kümmern will, aber mir ist bei dem Gedanken nicht wohl, dich hier im Haus allein zu lassen.«
    Carol hatte die Tasse zum Mund geführt und hielt jetzt, ohne zu trinken, inne. »Ja, ich käme mir irgendwie belagert vor. Was hältst du davon, wenn ich mitkomme?«
    Dass ich nicht darauf gekommen war! Natürlich, das war die Lösung, und das verschaffte mir sogar die Möglichkeit, mich in Duponts Abwesenheit in seiner Klinik ein wenig umzusehen, während Carol Mortimer Gesellschaft leistete. »Natürlich, das ist eine großartige Idee. Zumal du ja im Gegensatz zu mir eine echte Amerikanerin bist. Der arme Teufel fühlt sich ja total vereinsamt.«
    Wir ließen uns mit dem Frühstück Zeit, schließlich war es noch nicht einmal acht Uhr, und redeten über Gott und die Welt, als gäbe es keine Probleme, wobei uns natürlich beiden bewusst war, dass wir unsere Besorgnis bloß verdrängten.
    »In vierzehn Tagen hat Jessie Geburtstag«, erinnerte Carol mich, nachdem wir eine Weile stumm am Toast geknabbert und Kaffee getrunken hatten. »Wir haben die Kinder schon eine ganze Ewigkeit nicht mehr gesehen. Ich denke, wir sollten hier Geburtstag feiern. Vielleicht bringt Max seine neue Freundin mit. Und deine Eltern beklagen sich ja auch ständig, dass wir uns so rar machen. Das wäre doch eine Gelegenheit, mal wieder die ganze Familie an einen Tisch zu bringen.« Carol liebte solche Familienfeste, deshalb erklärte ich mich sofort einverstanden. Das führte dazu, dass die nächste Stunde der wichtigen Frage nach der Zusammensetzung des Festmenüs sowie der mindestens ebenso wichtigen, was man Jessie wohl schenken könnte, gewidmet war.
    Etwas später, nachdem auch ich geduscht und mich rasiert hatte, machten wir uns auf den Weg in die Ortschaft. Es lag nicht viel Schnee und es schneite auch schon seit einer Weile nicht mehr, sodass keine Notwendigkeit bestand, die Zufahrt zu räumen, ein Vorhaben, dem ich mich sonst mit großem Vergnügen hingab, vermittelte es mir doch dank des Pflugansatzes, den ich zu unserem Geländewagen gekauft hatte, das Gefühl, ein richtiger alpenländischer Grundbesitzer zu sein.
    Als wir an den verkohlten Überresten der Forsthütte vorbeirollten, musste ich erneut daran denken, dass Dupont mich in Bezug auf diese Hütte aller Wahrscheinlichkeit nach belogen hatte, womit meine Gedanken wieder ihren Kreislauf vollendet hatten und bei dem Thema angelangt waren, das seit mehr als einem Monat mein Leben bestimmte. Ich gab mir Mühe, mir nichts anmerken zu lassen, und hielt Carol einen Vortrag über den Winter in den Bergen – ein Thema, das sie faszinierte, weil sie den Winter bisher nur in der Großstadt und das erst als Erwachsene kennengelernt hatte. In Savannah gab es nie Schnee, und in Richmond hatte sie nur einmal einen echten Wintereinbruch erlebt.
    Im Tal waren die Straßen schneefrei, auch in den Vorgärten und auf den Hausdächern war kein Schnee zu sehen, und unsere Unterhaltung kehrte wieder

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