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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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tun. Dann wären Sie nämlich jetzt hier verschwunden, und wir müssten zusehen, wie wir Sie wieder zurückbekommen. Und statt in meiner Welt hätten Sie auch in einer der anderen auftauchen können, einer der drei, mit denen wir einigermaßen regelmäßigen Kontakt haben. Und im schlimmsten Fall in einer, die wir bis jetzt nicht kennen.«
    Man konnte ihr die Besorgnis anmerken; soweit ihre asketischen Züge das zuließen, spürte ich eine gewisse Sympathie, die von der Frau ausging. »Ich kann mir vorstellen, dass Sie das, was Sie soeben erlebt haben, ziemlich aufgewühlt hat, auch wenn es nur ein paar Sekunden gedauert hat«, fuhr sie fort und legte mir dabei die Hand auf den Arm. »Ich würde vorschlagen, Sie ziehen sich jetzt erst einmal auf eine halbe Stunde zurück und verarbeiten das alles –«
    »Aber ich will doch wissen, was das zu bedeuten hat«, fiel ich ihr ins Wort. »Wenn ich wirklich das R-Gen in mir trage, könnte das doch bedeuten, dass ich in meine Welt zurückkehren kann, dass ich –«
    »Das müssen wir alles ganz sorgfältig untersuchen, ein weiteres Experiment, wie wir es gerade unternommen haben, wäre für Sie jetzt höchst gefährlich«, unterbrach zur Abwechslung sie mich. »Ich muss wirklich darauf bestehen, dass Sie sich etwas ausruhen, jeder ›Rutsch‹, und wäre er auch noch so kurz, nimmt einen am Anfang stärker mit, als man das zunächst vermutet. Glauben Sie mir das bitte. Ich schlage vor, ich bringe Sie in einen Raum, wo Sie sich ausruhen können, und hole Sie in einer Stunde dort wieder ab. Das ist für Sie jetzt ganz bestimmt das Beste.«
    Ihre Stimme duldete keinen Widerspruch. Ich wollte es mir auch mit ihr nicht verderben, und so ging ich auf ihren Vorschlag ein. Carol würde sich mit Mortimer unterhalten, und sie rechnete sicher nicht damit, dass ich gleich wieder zu ihr zurückkam.
    »Also schön, ich bin einverstanden, aber veranlassen Sie bitte, dass man meine Frau benachrichtigt, die hat Frau Bergmoser zu dem amerikanischen Patienten gebracht, der sich derzeit in der Obhut Ihrer Klinik befindet«, bat ich, während Dr. Beauchamp mich über den Korridor zu einem Raum führte, den ein Schild neben der Tür als › RUHERAUM FÜR ÄRZTE ‹ auswies. Er war fensterlos, von einer Neonleuchte an der Decke grell ausgeleuchtet und spartanisch mit einer Liege, einem Polstersessel und einem runden Beistelltisch, auf dem ein Telefon stand, eingerichtet. Neben der Liege stand eine Stehlampe, wie man sie in jedem Baumarkt kaufen konnte, die Dr. Beauchamp jetzt anknipste. »Ich werde die Deckenbeleuchtung ausschalten, damit Sie ruhen können. Wenn Sie etwas brauchen oder mich sprechen wollen, rufen Sie bitte die Nummer 17. Frau Bergmoser erreichen sie unter 11. Im Kühlschrank sind Getränke.« Sie deutete auf eine Art Minibar an der Wand, die mir noch gar nicht aufgefallen war, ging zur Tür und zog sie mit einem Klicken zu. Ich lauschte unwillkürlich, ob sich ein Schlüssel im Schloss drehte, und musste dann über meine Paranoia lachen. Schließlich war ich Gast hier, sehr erwünschter Gast sogar, kein Gefangener. Wenigstens hatte Dupont das so zum Ausdruck gebracht.
    Ich ließ mich in den Sessel sinken und schloss die Augen. Frau Beauchamp hatte recht gehabt, ich war wirklich müde und erschöpft, dabei war es noch nicht einmal elf Uhr und ich hatte mich außer dem kurzen Morgenspaziergang mit dem Hund und der Fahrt hierher körperlich überhaupt nicht betätigt. Ich versuchte, den bläulichen Blitz und das Bild der Urwaldlandschaft noch einmal heraufzubeschwören, konzentrierte mich auf jede winzige Einzelheit zwischen dem Absinken in hypnotischen Schlaf und jenen Aufenthalt in der Anderwelt. Denn dass ich den Laborraum verlassen hatte, und wenn auch nur für Sekunden, stand für mich fest. Und diese Erkenntnis eröffnete mir ganz neue Dimensionen des Denkens.
    Ich war also Träger des R-Gens, da war ich mir sicher, auch wenn Dr. Beauchamp das erst noch untersuchen wollte. Wenn ich zwei und zwei zusammenzählte – meinen ›Rutsch‹ in die Europawelt, meine Träume, das was Dupont mir erzählt hatte, Dr. Beauchamps Erläuterung –, passte alles zusammen. Irgendwann zwischen dem Ende des achtzehnten und der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts musste es eine Beziehung zwischen einem meiner Vorfahren und einem Besucher aus der Anderwelt gegeben haben, die dazu geführt hatte, dass ich in wenigstens rudimentärem Umfang psychische Fähigkeiten besaß, wie sie jene Rasse

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