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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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fuhr zusammen, ihre Stimme hatte scharf geklungen, eindringlich, Kommandoton … und plötzlich wusste ich, wo ich war, was mit mir geschehen war, griff mir an die Stirn, nickte. »Ja, schon gut, ich bin wieder wach …«
    Die Gestalt im Labormantel – sie hieß Dr. Beauchamp, Eloise Beauchamp, machte ich mir bewusst – ließ das Pendel sinken, das sie in der Hand hielt, und betätigte mit der anderen einen Schalter, worauf der Bildschirm dunkel wurde. Jetzt griff sie nach meinem Handgelenk, tastete nach dem Puls, sah auf ihre Armbanduhr und nickte nach einer Weile.
    »Und, wie ist Ihnen das Experiment bekommen, Herr Lukas?«, erkundigte sie sich. »Erzählen Sie«, forderte sie mich auf und ließ mein Handgelenk los. »Ihr Puls geht noch ein wenig schnell, aber das wird sich gleich geben.«
    Ich schüttelte reflexartig den Kopf, wie um die Bilder loszuwerden, die ich gerade noch gesehen hatte, die Geräusche zu verdrängen, die in mir nachhallten. »Kann ich einen Schluck Wasser haben, meine Kehle ist wie ausgedörrt«, bat ich, teils, weil ich wirklich durstig war, teils auch, um ein paar Augenblicke der Sammlung zu gewinnen.
    Sie nickte, stand auf und kam Augenblicke später mit einem Glas in der Hand zurück und reichte es mir. Ich nahm einen Schluck, wischte mir mit der Hand über den Mund und lehnte mich zurück. »Es war ganz seltsam, aber ich sollte vielleicht hinzufügen, dass ich mich noch nie habe hypnotisieren lassen … Also, zuerst waren da die Geräusche, die Musik, das Pendel, das dann schließlich verschwamm, dann wurde ich sehr müde, alles ganz so, wie ich das erwartet hatte … Aber dann gab es plötzlich einen grellen Blitz, blaues Licht, das mich umgab, und ich verspürte ein unangenehmes Zerren und Ziehen im Kopf, als hätte man ihn in einen Schraubstock gespannt. Dann sah ich sekundenlang eine Waldlandschaft vor mir, hörte Geräusche, wie man sie im Wald hört, und dann kam wieder ein Blitz und es war vorbei und ich sah wieder den Bildschirm mit dem blau-roten Gitter vor mir. Wie lang war ich denn bewusstlos?«
    »Nur ein paar Sekunden, aber das ist normal. Aber Sie haben diesen Raum nicht verlassen, alles, was Sie erlebt oder gesehen haben, hat sich also nur in Ihrem Kopf abgespielt, darüber müssen Sie sich im Klaren sein. Ein ›Rutsch‹ war das demnach nicht – aber ein gewöhnlicher Traum auch nicht. Was nicht normal ist, ist die Waldlandschaft, die Sie gesehen haben. Können Sie die beschreiben? Ist Ihnen daran etwas aufgefallen?«
    »Aufgefallen? Es hat ja bloß ein paar Sekunden gedauert. Es war … nun ja, ich hatte das Gefühl, ich stehe auf einer Wiese und vor mir, vielleicht hundert Meter entfernt, war da ein Wald, so wie Wälder eben aussehen.«
    »Geben Sie sich Mühe, bitte. Was war das für ein Wald? Was für Bäume? Ein Wald, wie man ihn hier aus der Umgebung kennt? Fichten in Reih und Glied?«
    Ich schloss die Augen, konzentrierte mich, versuchte das Bild heraufzubeschwören, das meine Augen erfasst und an den Computer meines Gehirns weitergeleitet hatten. Und tatsächlich, da war es wieder, wie abgespeichert, eine Mischung aus allen möglichen Grün- und Brauntönen, Buchen, Eichen, Tannen, ein wirres Durcheinander mit zahllosen Büschen dazwischen, ein Wald, wie ich ihn von Reisen in die Naturparks Neuenglands oder der Appalachen kannte, ganz anders als das geordnete Braun und Grün forstwirtschaftlich genutzter deutscher Einheitswälder.
    Frau Beauchamp nickte, als ich ihr meine Eindrücke schilderte, und machte sich eine Notiz. Dann blickte sie auf, und ihre grünen Augen blitzten. Die Wissenschaftlerin in ihr war jetzt erwacht. »Sie haben einen Blick in meine Welt getan, das dürfte ziemlich klar sein. Die Umgebung ist hier so, wie sie seit bald tausend Jahren gewachsen ist, von Menschen weitgehend unberührt. Die Lichtung, die Sie gesehen haben, haben unsere Leuten angelegt, und wenn Sie etwas mehr Zeit gehabt hätten, hätten sie ganz in der Nähe den Inn entdeckt.«
    Sie wurde nachdenklich. »Ihre Vermutung, dass Sie das R-Gen haben, scheint also zuzutreffen. Sonst wären Sie nämlich einfach eingeschlafen und hätten mir anschließend erzählt, dass Sie dieses Labor gesehen hätten. Wirklich erstaunlich.« Wieder machte sie sich eine Notiz. »Und Glück haben Sie auch gehabt, maßloses Glück sogar, sodass ich mir jetzt nachträglich Vorwürfe mache. Es hätte nämlich auch sein können, dass Sie wirklich rutschen, nicht nur einen Blick in eine andere Welt

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