Nebenweit (German Edition)
fügte er resignierend hinzu.
Ein Einsatz in der Roma-Aeterna-Welt stellte in der Tat keine besonders hohen Anforderungen an meine Amtskollegen, weshalb man dort auch meist die Anfänger hinschickte. Ich erinnerte mich an mein erstes Jahr im diplomatischen Dienst, das ich in Luteta Parisorum verbracht hatte, der Stadt, die in unserer Heimatzeitlinie Luteta und in der Europa- ebenso wie in der Amerikalinie als Paris bekannt war. In der Roma-Aeterna-Welt war das heilige Rom im Laufe der Jahrhunderte zwar die spirituelle Hauptstadt geblieben, aber das politische Zentrum hatte sich in den stärker industrialisierten Norden verschoben, weshalb wir unsere Mission auch hier – also ortsgleich mit der eigenen Zentrale – eingerichtet hatten.
Ich hatte nicht damit gerechnet, von Serfax irgendwelche wichtigen Erkenntnisse zu gewinnen, hatte ihn aber nicht aus unserer Besprechung ausschließen wollen und sah jetzt erwartungsvoll zu Ladox hinüber, einem hünenhaften Mann mit kurzem blonden Haar in einem auffällig karierten Anzug. Wir kannten uns seit unserer Schulzeit, Ladox war ebenso wie ich von Alu Bolax ausgebildet worden und vertrat ähnlich mir die Auffassung, dass unsere Zukunft davon abhing, möglichst viel von den Anderwelten zu lernen, insbesondere von der friedlichsten und damit auch aussichtsreichsten: der Europawelt. Für einen Angehörigen unseres Volkes war sein blondes Haar und der helle Teint ungewöhnlich und hatte vor Jahren die Entscheidung stark beeinflusst, ihn als Resident in die Germaniawelt zu schicken.
»Über die Zustände in meiner Welt brauche ich, glaube ich, nichts zu sagen. Die Nazis sind zwar unangenehme Zeitgenossen und ihre Vorstellungen von der Herrenrasse haben sich auch in den sechzig Jahren kaum geändert, in denen sie sich mit den Japanern die Weltherrschaft teilen, aber zumindest im Kernland, also dem Gebiet, das sie das Großdeutsche Reich nennen, lebt es sich für den Durchschnittsbürger recht gut. Über die Sklavendörfer in den Protektoratsgebieten im Osten will ich lieber schweigen, aber auch dort herrscht wenigstens insoweit die Vernunft, als man den Sklavenarbeitern genügend zu essen gibt und ihnen ein Mindestmaß an Schulbildung zuteilwerden lässt.«
»Ja, das ist uns ja auch bekannt«, fiel ich ihm ins Wort, um zu vermeiden, dass er uns einen allgemeinen Situationsbericht lieferte, wie wir ihn bei den routinemäßigen Sitzungen unseres Kreises abzuliefern und in konzentrierter Form an meine Kollegen in der Regierung weiterzugeben pflegten. »Ich habe dieses Treffen aus besonderem Anlass einberufen, weil die Aktivitäten von Antolax allem Anschein nach ein Ausmaß angenommen haben, dass wir nicht mehr tatenlos zusehen können«, fuhr ich fort, worauf sich drei Augenpaare mir zuwandten.
»Wir waren bisher übereinstimmend der Meinung, sein Aufstieg in der Nazihierarchie sei nur ein Ausdruck seines persönlichen Geltungsbedürfnisses und deshalb auch nicht besorgniserregender als die sonstigen Aktivitäten der Tradis. Vielleicht haben wir sogar den Fehler gemacht, seine Anhänger für harmlose Spinner, für Ewiggestrige, zu halten. Nach den Ereignissen der letzten Tage muss ich aber befürchten, dass das ein grober Irrtum war …«
»Ereignisse der letzten Tage? Was ist denn passiert? Spanne uns nicht auf die Folter!«, fiel Bentix mir ins Wort, während Ladox nachdenklich nickte.
»Nun, es hat anscheinend Entführungen aus meiner Welt gegeben, ein paar Leute sind verschwunden … und zu allem Überfluss ist es in den letzten Wochen zu mehreren, mir unerklärlichen Rutschen von AWs gekommen. Einen dieser Leute, einen Mann aus der Amerikawelt, habe ich ins Vertrauen gezogen …« Ich sah, wie die drei Männer am Tisch zusammenzuckten. Damit hatte ich das oberste Gebot unseres Dienstes verletzt, mich sogar strafbar gemacht …
»Ich bin überzeugt, dass ich damit im Sinne unseres Volkes gehandelt habe, und habe auch meine Kollegen in der Regierung entsprechend informiert«, kam ich einem Kommentar zuvor. »Der Mann, er nennt sich Bernd Lukas, scheint mir absolut vertrauenswürdig. Er war Journalist, kennt die ganze Welt und befindet sich seit einigen Jahren im Ruhestand. Er ist Schriftsteller und schreibt das, was man in der Europawelt als Technovision, in der Amerikawelt als Science Fiction bezeichnet, und hat daher ein gewisses Verständnis für das Konzept der Parallelwelten. Ihn nicht ins Vertrauen zu ziehen hätte vielleicht sogar zu größerem Schaden geführt,
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