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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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Fußballmeisterschaft –, etwas berührte mich in der Hüftgegend, dann war die Benommenheit auch schon wieder vorbei. Da war bloß noch ein leichtes Prickeln, das aber schnell aufhörte.
    Ich schnappte mir die Säge, ging vor mich hin schimpfend auf das Hindernis auf der Straße zu und überlegte, wie ich es am besten anstellen sollte, schließlich war ich im Umgang mit Werkzeug nicht sehr geübt. Ich hatte mich schon über den Baumstamm gebeugt und die Säge angesetzt, als mir etwas bewusst wurde … Ich richtete mich auf und sah mich um. Tatsächlich! Der Wagen war weg. Unvorstellbar! Ich hatte ihn doch vor fünf Minuten hier stehen lassen und war die hundert Meter zur Hütte gegangen. Und ich hatte selbstverständlich die Bremse angezogen. Nicht dass er die abschüssige Strecke hätte hinabrollen können, schließlich war da der Baumstamm im Weg. Gestohlen konnte ihn auch niemand haben – der Weg ins Tal wäre einem möglichen Dieb ja versperrt gewesen, und der Weg bergauf hätte an der Hütte vorbeigeführt, da hätte ich ja das Motorengeräusch gehört.
    Ich begann an meinem Verstand zu zweifeln. Der Stoß, den ich bekommen hatte? Geistige Verwirrung? Amnesie? Ich schüttelte den Kopf. Ich war einmal in meinem Leben bewusstlos gewesen, als Achtzehnjähriger, ich hatte mein erstes Motorrad gekauft und eine Kurve etwas zu unvorsichtig genommen. Etwa eine Stunde nach diesem Experiment mit der Zentrifugalkraft war ich im Krankenhaus aufgewacht. Allerdings hatte ich dort wenige Minuten nach dem Erwachen die Szene deutlich vor Augen gehabt: die sich von mir wegbewegende Straße, meine Angst, das Wissen um den unmittelbar bevorstehenden Sturz, eben alles.
    Diesmal hingegen war da nichts, nur die plötzliche Schwärze vor meinen Augen und der Stoß gegen die Stirn. Ob ich es mir nur einbildete, mit dem Wagen gefahren zu sein. Ins Dorf war es nicht weit, und manchmal gingen wir das kurze Stück zu Fuß, genossen die Natur und fanden die Bewegung viel sinnvoller als irgendwelche Gymnastikübungen. Aber in dem Fall hätte ich doch sicherlich Charlie mitgenommen, unseren Westhighland Terrier … doch der war weit und breit nicht zu sehen.
    Na schön, dachte ich, du wirst langsam alt und da gibt es Gedächtnislücken. Der Wagen stand ohne Zweifel in der Garage, und Carol würde mich auslachen – aber ich musste es jetzt wissen. Also legte ich die Säge hin, in die Hütte konnte ich sie ja später zurücktragen, und machte mich auf den Weg zurück zu unserem Haus. Eine Viertelstunde später stand ich etwas außer Atem in der Einfahrt. Die Ungewissheit hatte mich angetrieben, und ich war die Steigung schneller hinaufgeeilt, als ich das sonst tat. Das spürte ich jetzt. Das Garagentor war verschlossen, irgendwie machte das Haus auch einen unbewohnten Eindruck. Auch die Läden waren geschlossen, dabei wusste ich ganz genau, dass wir sie am vergangenen Abend trotz des angekündigten Gewitters offen gelassen hatten. Carol hatte mir am Abend deswegen noch Vorhaltungen gemacht, aber da war ich schon im Pyjama gewesen und hatte sie beschwichtigt. So schlimm würde es schon nicht werden.
    Ich ging auf die Haustür zu, griff in die Tasche nach dem Schlüssel – aber da war nichts. Im Auto gelassen?, überlegte ich. Aber das Auto musste ja in der Garage stehen, das konnte also nicht sein. Das Ganze wurde immer verrückter! Ich ging an die Tür, klingelte, wartete, klingelte ein zweites Mal, rief nach Carol, klingelte erneut – keine Reaktion!
    Als ich das Haus verlassen hatte, war sie im Bad gewesen, sie brauchte morgens immer höchstens zwanzig Minuten, hätte also inzwischen längst unten sein und mich hören müssen. Ich ging um das Haus herum und versuchte, die Terrassentür zu öffnen, aber die war verschlossen, ebenso die Tür im Kellerabgang. Ich klopfte an die Scheibe der Terrassentür, rief laut nach Carol, warf Steine ans Badfenster – alles ohne Erfolg.
    Allmählich wurde mir unheimlich. Hinzu kam, dass das Haus irgendwie verändert wirkte: Die Terrassenmöbel sahen etwas anders aus, als ich sie in Erinnerung hatte, sie standen auch nicht da, wo sie immer standen, an der Terrassentür war die Farbe abgeblättert, dabei hatten wir erst vor drei Wochen den Maler im Haus gehabt und Türen und Fensterrahmen neu streichen lassen. Ich schüttelte benommen den Kopf und bekam es langsam mit der Angst zu tun. Litt ich vielleicht doch an Gedächtnisverlust, war der Stoß gegen den Kopf, den ich in der Forsthütte verspürt

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