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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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geblieben. Unser Gespräch war vom Hundertsten ins Tausendste gewandert, Carol hatte von ihrer Heimat an der Atlantikküste Amerikas erzählt, einem Kontinent, den Dupont nur aus Büchern kannte und der ihn erkennbar faszinierte. Dann hatte unser Gast sich schließlich mit dem Versprechen verabschiedet, noch heute Abend zwei Mann aus seinem Spezialtrupp für unsere Sicherheit abzustellen. Die beiden, sie hatten sich als Markus und Leo vorgestellt, zwei durchtrainiert wirkende junge Männer um die fünfundzwanzig, hatten erklärt, dass sie sich ›irgendwo in der Nähe‹ eine Unterkunft einrichten und für uns unsichtbar bleiben wollten. Sie waren beide mit Mobis ausgestattet und hatten versichert, binnen zwei Minuten aufzutauchen, wenn wir sie rufen sollten. Dazu hatte es allerdings in den letzten paar Tagen keinen Anlass gegeben, und es waren auch keine Spuren von Eindringlingen mehr sichtbar geworden. Charlie hatte die beiden kurz beschnuppert und sie offensichtlich als für ihn und uns ungefährlich eingestuft, und sie waren beim Gassigehen auch weder Carol noch mir aufgefallen.
    Carol hatte zwei Tage nach Duponts Besuch darauf bestanden, Mortimer aufzusuchen. Am Nachmittag war sie recht bedrückt nach Hause zurückgekommen und hatte mir berichtet, dass sie den alten Mann schlafend und in sichtlich schlechtem Zustand angetroffen hatte. Er hatte sich eine Lungenentzündung zugezogen; die behandelnde Ärztin hatte Carol gegenüber die Befürchtung geäußert, dass er in seinem geschwächtem Zustand vermutlich die nächsten Wochen nicht überleben würde. »Seit er weiß, dass er keine Chance auf Rückkehr zu seiner Familie hat, ist sein Lebenswille offenbar erloschen«, hatte Carol gesagt. Ich hatte mir Vorwürfe gemacht, weil ich ihn seit ein paar Tagen praktisch völlig vergessen, jedenfalls mein Versprechen nicht erfüllt hatte, ihn so bald wie möglich wieder zu besuchen.
    Die nächsten paar Tage hatten wir beide uns bemüht, ein einigermaßen normales Leben zu führen, so als wäre ich nicht ein Besucher aus einer anderen Welt, dem gefährliche Häscher aus wieder einer anderen fremden Welt nachstellten. Wirklich sehr normal, das alles, dachte ich mir. Aber irgendwie hatten wir es geschafft. Von den Bewachern, die Dupont geschickt hatte, war zunächst nichts zu bemerken gewesen, nur bei einer Fahrt in die Ortschaft war plötzlich hinter uns ein schon etwas angejahrter, silbergrauer Golf aufgetaucht und hatte sich nicht abschütteln lassen. Ein Anruf bei Dupont hatte mich beruhigt: Das sei unsere Leibwache, hatte er mir bestätigt, nachdem ich ihm die Zulassungsnummer durchgegeben hatte. Vermutlich würden die beiden später einen Rüffel bekommen, weil sie sich nicht besser getarnt hatten.
    Wir waren zusammen bei ALDI einkaufen gewesen, und Carol hatte mich fragend angesehen, als Vanessa an der Kasse mich ein wenig süffisant gefragt hatte, ob ich diesmal ›richtiges Geld‹ bei mir hätte. Erst in dem Augenblick war mir eingefallen, dass ich ja bei ihr seit Wochen in der Kreide stand, und war rot geworden. Die fünfundzwanzig Eurotaler, die ich ihr in die Hand gedrückt hatte, hatten sie jedoch sichtlich mit mir versöhnt. Als wir unsere Einkäufe im Wagen verstaut und das Ladekabel aus der Steckdose gezogen hatten – eine Errungenschaft an öffentlichen Parkplätzen, wie Carol mir erklärt hatte –, hatte sie vorgeschlagen, irgendwo einen kleinen Imbiss einzunehmen. Die Auswahl an dafür geeigneten Lokalen war nicht sonderlich groß, und so hatten wir uns kurz darauf an einem Tisch im Gasthof zur Post wiedergefunden, wo ich mir Weißwürste bestellt und Carol von meinem ersten Treffen mit Dupont im ›Franziskaner‹ und dessen fachmännischen Umgang mit dieser bayrischen Spezialität berichtet hatte.
    Alles normaler Alltag also, ebenso normal wie meine tägliche Lektüre der ›Münchner Neueste Nachrichten‹ oder die halbe Stunde vor dem Fernseher, wenn das ›Journal‹ über die neuesten Ereignisse draußen in der Welt berichtete. Ich hatte auch ein paar Mal mit Richard Moriarty in Oxford und Tanabe in Tokio telefoniert, einfach weil es mir guttat, mit Leuten zu reden, die mein Geheimnis kannten. Aber all das half mir nicht über die Leere hinweg, die der Alltag in mir hinterließ. Das ständige Warten darauf, dass etwas geschah, dass Dupont sich meldete – was er seit drei Tagen nicht mehr getan hatte, er hatte ja schließlich Wichtigeres zu tun, als mich über sein Handeln auf dem Laufenden zu

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