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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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ich mir vorgenommen, ›Schmid‹ beim nächsten Zusammentreffen etwas zu verunsichern, allein schon um ihm klarzumachen, dass er in mir zwar einen von ihm nach wie vor abhängigen Gefangenen, nicht aber einen willen- und hirnlosen Sklaven vor sich hatte. Dafür schien mir jetzt der richtige Zeitpunkt gekommen.
    Ich tippte ihn an, deutete auf seinen und meinen Kopfhörer, um mich zu vergewissern, dass zwischen uns eine Verbindung bestand und ich auch seine Aufmerksamkeit hatte. »Ja, sprechen Sie ruhig, die beiden vorne können uns nicht hören«, ermunterte er mich mit einem etwas herablassenden Lächeln.
    »Aus was für einer Welt kommen Sie eigentlich?«, fragte ich ihn. »Und bei der Gelegenheit können Sie mir ja auch gleich Ihren richtigen Namen nennen, Herr Standartenführer Schmid«, fügte ich mit der Andeutung eines Grinsens hinzu.
    In seinem Gesicht zuckte es. Volltreffer!, dachte ich und sah zu, wie seine Lippen arbeiteten. Dann hatte er sich wieder im Griff und ich empfand einen Augenblick lang beinahe so etwas wie Bewunderung für ihn, als er mir einen prüfenden Blick zuwarf, nickte und dann meinte: »Na schön, Sie hatten ja schließlich genügend Zeit zum Nachdenken. Da will ich nicht lange um die Dinge herumreden. Ja, Sie vermuten richtig – ich bin ebenso ein Fremder in dieser Welt wie Sie, nur bin ich schon eine ganze Weile hier und habe mich anpassen können. Und Schmid heiße ich auch nicht, das haben Sie richtig erkannt. Das hätte ich mir vielleicht sparen können, aber Ihr plötzliches Auftauchen hier hat mich ein wenig aus dem Konzept gebracht. Ich heiße Robert Falkenberg, aber Standartenführer der SS bin ich wirklich. In dieser Welt, meine ich. Mattke, der Pilot und übrigens auch Frau Kormaier kennen mich unter diesem Namen. Die wären auch mit der Vorstellung einer oder mehrerer Parallelwelten sicherlich überfordert.« Er hielt inne, musterte mich prüfend. »Aber dass ich aus einer Anderwelt komme, wollte ich eigentlich für mich behalten … Woraus haben Sie das geschlossen?«
        
     
     

Bernd Lukas
   
43
     
    Dupont war den ganzen Nachmittag bei uns geblieben, und nach etwa einer Stunde war Carol wieder bei uns erschienen. Sie hatte sich wortlos zu uns gesetzt und sich überzeugt, dass noch Tee in der Kanne war. Unser Gespräch hatte sich dem Leben in Luteta zugewandt und Dupont hatte ausführlich und sehr anschaulich berichtet, wie sich dort allmählich die Lebensumstände verändert hatten und heute eine seltsame Synthese zwischen der Bronzezeit und unserer modernen Gegenwart darstellten.
    So gab es dort schon seit über hundert Jahren allgemeine Schulpflicht, aber gerade auf dem Gebiet der Bildung war die Veränderung besonders dramatisch gewesen. Kinder, die noch vor hundert Jahren in erster Linie die Gesänge der Alten auswendig gelernt hatten und die man im Respekt vor den Naturgöttern erzogen hatte, lernten heute Deutsch und Französisch, und ein nicht geringer Anteil von ihnen bereitete sich auf ein Universitätsstudium vor, wo sie sich in erster Linie dem Studium der Medizin und der Naturwissenschaften widmeten. »Das ist gar nicht einfach«, hatte Dupont gemeint, »wir müssen das ohne die Hilfsmittel lehren, die Ihnen zur Verfügung stehen – Rechner, Projektionsgeräte, das Weltnetz, alles in Ihrer Welt Selbstverständlichkeiten. Wir hingegen sind ausschließlich auf Bücher angewiesen, aber den Göttern sei Dank, wenigstens gedruckten und nicht mühsam kopierten wie in meiner Schulzeit.«
    In der medizinischen Versorgung herrschte eine skurrile Mischung aus entlehnter moderner und überkommener ›Kräutermedizin‹, wie Dupont es nannte. »Die Ergebnisse, die unsere Ärzte damit erzielen, sind gar nicht so schlecht«, schmunzelte er. »Ich muss manchmal lachen, wenn ich hier die Diskussionen verfolge und miterlebte, wie sehr sich hier die sogenannte Schulmedizin gegen althergebrachtes Wissen sträubt. Bei uns sieht man da keinen Gegensatz. Und seit unsere Ärzte und Heiler sich gemeinsam von den Vorzügen der Hygiene überzeugt haben, arbeiten sie in großer Harmonie zusammen. Selbst die Tradis erkennen an, dass Medizin eine der Errungenschaften der Anderwelten ist, auf die auch sie nicht verzichten möchten. Vielleicht ist dies sogar das Thema, das uns eines Tages hilft, die Gegensätze in der Weltanschauung zu überbrücken, die uns im Augenblick noch trennen. Da müssen nur noch die ideologischen Barrieren fallen.«
    Er war noch zum Abendessen

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