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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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mehr als einer Generation nicht mehr zur Sichtung von Braunbären oder sonstigen Bären gekommen sei. Vermisstenmeldungen, die sich auf einen Mann beziehen, auf den die Beschreibung des Toten passt, sind den Behörden nicht bekannt.
     
    Ich ließ die Zeitung sinken. Da hatte ich nun gerade gedacht, meine Vergangenheit ließe mich in Ruhe, und schon war da wieder eine Meldung, die auf eine Versetzung hindeutete. »Großdeutsches Reich« – das war eine Bezeichnung, an die ich mich aus den Erzählungen meines Vaters erinnerte. So hatte Deutschland sich während der zwölf Jahre Naziherrschaft genannt, erinnerte ich mich. Ich ließ die Zeitung sinken und merkte erst jetzt, dass Carol mich scharf beobachtete. Sie schien zu spüren, dass da etwas war, was mich erregte.
    Ich nickte ihr zu. »Jetzt geht das schon wieder los«, meinte ich und tippte dabei auf die Zeitung. »Die haben irgendwo in Ostpreußen eine Leiche gefunden, die ganz offensichtlich aus einer Anderwelt stammt. Das steht zwar nicht in der Notiz, aber wenn man Bescheid weiß, ist das ganz eindeutig.« Ich las ihr die Notiz vor. »›Großdeutsches Reich‹, das ist eine Bezeichnung, die ich kenne, aber vermutlich handelt es sich bei dem Toten nicht um jemand aus meiner Welt. Dort gibt es ja dieses ›Großdeutsche Reich‹ schon seit bald siebzig Jahren nicht mehr. Ob das …« Ich stockte, spürte Carols fragenden Blick.
    »Ob das was?«, fragte sie schließlich, als ich nicht weiterredete, und setzte dann, als ich immer noch stumm blieb, nach: »Bernd, was hast du?«
    »Ob das mit der Aktion zu tun hat, von der Dupont uns erzählt hat? Dieser Antolax soll doch seine Basis irgendwo in Ostpreußen haben, in der Germaniawelt, sagt Dupont. Ich weiß auch nicht, wieso, aber darauf deutet doch einiges.«
    »Aber da steht doch, dass der Mann von einem Tier getötet wurde? Wie soll das mit Dupont zusammenhängen?«
    »Keine Ahnung, war auch nur so eine Idee. Aber auf eine Anderwelt deutet das mit Sicherheit. Schon verrückt, findest du nicht, dass ich jetzt zum dritten Mal in nicht einmal einem Monat in der Zeitung von solchen Rutschen lese? Das klingt ja geradezu nach einer Epidemie. Ich denke, das muss ich Dupont sagen. Wer weiß, ob er die Zeitung schon gelesen hat.«
    »Aber wir wollten doch endlich Ruhe haben und Urlaub machen.«
    »Trotzdem, ich muss das mit ihm besprechen«, wehrte ich ab und tippte, wie um weitere Einwände Carols abzuwehren, an mein Mobi. »Jacques Dupont anrufen«, sagte ich, »Lautsprecher«, und sah zu, wie sich auf dem Bildschirm die Nummer Duponts aufbaute.
    Nach dreimaligem Klingeln meldete sich seine Stimme. »Bernd, was für ein Zufall, ich habe gerade überlegt, ob ich Sie anrufen soll. Ich sitze gerade im Zug und komme in einer halben Stunde in Rosenheim an. Was gibt es Neues?«
    »Haben Sie heute schon die Zeitung gelesen?« Ich wusste, dass Dupont wie ich die ›Münchner Neueste Nachrichten‹ abonniert hatte.
    »Nein, ich war schon ganz früh nach München gefahren und bin jetzt auf der Heimfahrt. Was gibt es denn Interessantes?«
    »Schon wieder einen ›Rutsch‹ aus einer Anderwelt.« Ich las ihm den Artikel vor und wartete dann gespannt auf seine Antwort. Die ließ auf sich warten, so lange, dass ich schon befürchtete, die Verbindung sei abgebrochen. »Jacques?«, fragte ich, »sind Sie noch dran?«
    Aber das Telefon blieb stumm.
        
     
     

Jacques Dupont/Obertix
   
50
     
    Instinktiv hatte ich mein Mobi ausgeschaltet, um Lukas nicht gleich antworten zu müssen. Sollte er doch glauben, die Verbindung sei zusammengebrochen, wegen eines Funklochs beispielsweise. Jedenfalls musste ich mir gut überlegen, was ich ihm sagte. Zudem rief er vermutlich von zu Hause an, vielleicht saß Carol neben ihm, und ich wollte nicht, dass sie am Telefon erfuhr, dass ihr Mann wieder aufgetaucht war, keine hundert Kilometer von ihr entfernt und doch unendlich weit.
    Aber viel Zeit hatte ich nicht, eine abgebrochene Verbindung, das war ein Gebot der Höflichkeit, musste so schnell wie möglich wiederhergestellt werden. Aber ich brauchte noch Zeit, um meine Gedanken zu sammeln, und wollte die neu geschaffene Lage auf keinen Fall am Telefon besprechen. Fünf Minuten, sagte ich mir, länger durfte ich nicht warten, wollte ich nicht Argwohn erwecken.
    Ein Mann in Wehrmachtsuniform, aufgefunden in Ostpreußen, allem Anschein nach von einem Bären oder einem anderen wilden Tier getötet worden … wenn man eins und eins

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