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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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zusammenzählte, konnte das nur eines bedeuten.
    Antolax! Daran bestand für mich nicht der geringste Zweifel. In seiner Not und nicht mehr mit den Handschellen an einen größeren Gegenstand gefesselt, musste er den ›Rutsch‹ in die Europawelt geschafft haben. Ein Grund mehr, so schnell wie möglich mit den Kollegen in Luteta zu sprechen. Und der Gedanke, der mich schon vorher beschäftigt hatte, die Lösung für Lukas, sogar für beide Lukas, sofern ich sie überzeugen konnte, passte in dieses Schema!
    Ich tippte an das Display meines Mobi. »Anruf Bernd Lukas«, sagte ich halblaut, so leise, dass die Mitreisenden es kaum hören konnten.
    »Bernd, Sie müssen entschuldigen, aber offenbar war die Verbindung zusammengebrochen. Das Netz hier draußen taugt nicht viel. Und aus dem Waggon …« Den Rest überließ ich seiner Fantasie. »Ich komme jetzt in wenigen Minuten in Rosenheim an, da wäre es vielleicht am besten, wenn wir uns persönlich sprechen könnten. Hätten Sie Lust und Zeit, mich zu besuchen? Ich habe jetzt gleich einen wichtigen Termin in der Klinik, sonst würde ich zu Ihnen kommen.« Dass Bernhard Lukas in der Germaniawelt aufgetaucht war, erwähnte ich bewusst nicht. So bestand eine gewisse Chance, dass Carol darauf verzichtete mitzukommen und Bernd ihr die Nachricht in Ruhe mitteilen könnte. Das wäre für alle Beteiligten angenehmer.
    Ich hörte ein elektronisches Knacken, Hinweis darauf, dass Bernd das Mikro abgeschaltet hatte, wohl um ungehört mit Carol reden zu können, aber dann war er gleich wieder da. »Gut, ich sitze gerade mit Carol zusammen, sie lässt Sie grüßen. Wenn es Ihnen passt, würde ich in einer reichlichen Stunde bei Ihnen sein. Ist Ihnen das recht?« Carol würde also nicht mitkommen, das konnte man aus seinen Worten schließen. Ich bestätigte, und wir legten auf. Dass er mich nicht gefragt hatte, weshalb ich ihn hatte anrufen wollen, war mir ganz recht. So konnte ich mir das noch überlegen. Mein Plan war auch noch keineswegs ausgereift und bedurfte im Übrigen zudem der Zustimmung meiner Kollegen in Luteta.
    ***
     
    Auf dem Parkplatz vor der Klinik stand ein Leichenwagen; als ich aus dem Wagen stieg, kamen gerade zwei Männer mit einem grauen Metallsarg aus dem Eingangsportal. Ich erschrak. Mortimer? Bei einer Klinik war es natürlich nicht ungewöhnlich, dass ein Patient starb, aber zur Zeit hatten wir nur leichte Fälle, sodass die Vermutung nahelag. Ich eilte ins Obergeschoss, wo Frau Bergmoser mich bereits auf dem Flur erwartete. »Mortimer?«, fragte ich noch fünf Meter von ihr entfernt, und sie nickte betreten. Wir hatten alle den tapferen alten Mann in den wenigen Tagen, die er bei uns verbracht hatte, ins Herz geschlossen, und sein Tod ging mir nahe. Jetzt würde er ein einsames Grab fern von seinen Lieben bekommen. Niemand würde an seinem Grab stehen, der ihn gekannt und geliebt hatte, und zwischen dem Grab und seiner Heimat würde nicht nur ein Ozean, sondern eine ganze Welt liegen.
    »Sein Herz hat vor vier Stunden ausgesetzt«, berichtete Frau Bergmoser. »Dr. Schiller hat alles versucht, aber da war wohl kein Lebenswille mehr.«
    Ich nickte nur, reichte Frau Bergmoser meinen Mantel und schloss die Tür meines Büros hinter mir. Vielleicht hielt sie mich in diesem Augenblick für gefühlskalt, aber ich wollte jetzt allein sein. Irgendwie fühlte ich mich für den Tod des alten Mannes verantwortlich. Hatten wir Gäler uns allein schon dadurch schuldig gemacht, dass wir uns in diese fremden Welten eingemischt hatten? Nach allem, was ich wusste, traf uns an Mortimers Versetzung in diese Welt keine Schuld. Dennoch, ohne uns wäre der Mann nicht entführt worden, zweimal entführt worden, erinnerte ich mich, auch wenn ›unsere‹ Entführung keine gesundheitlichen Schäden bei ihm hervorgerufen haben dürfte.
    Aber wir waren nun einmal Schmarotzer in den Anderwelten, in denen wir uns aufhielten, und ganz besonders in dieser, der sympathischsten von allen. Immer wieder kamen solche Gedanken in mir auf, Schuldgefühle meist. Wie sollte das weitergehen? Sollten wir auf alle Zeiten ein Leben im Versteck, im Untergrund leben, Bücher und Medikamente und vieles andere stehlen?
    Ja, stehlen, auch wenn wir dafür bezahlten, denn das Geld, das wir dafür bezahlten, war nicht von uns erwirtschaftet, wenn man mal von den Erträgen absah, die Institutionen wie meine Klinik einbrachten. Aber im Großen und Ganzen finanzierten wir uns aus Geschäften am Aktienmarkt, und

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