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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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Anwesenheit offenbar abgefunden und diese auch akzeptiert hatte.
    Es begann bereits zu dunkeln, als wir uns der Hütte näherten, und ich hakte Charlies Leine am Halsband ein, ehe ich den Schlüssel in das Vorhängeschloss schob. Die Brettertür öffnete sich lautlos, als ich daran zog. Offenbar gut geölt, dachte ich. Im Inneren der Hütte herrschte ein modriger Geruch, aber ich bildete mir ein, auch die Andeutung von Ozon wahrzunehmen. Vielleicht ging da meine Fantasie mit mir durch.
    Alles sah so aus, wie ich es in Erinnerung hatte: ein grob betonierter Boden, auf dem Ölspuren wahrzunehmen waren, ungehobelte Bretterwände mit eingeschlagenen Nägeln, an denen allerlei Werkzeug hing, eine Kettensäge in einer Ecke, Äxte, Schaufeln ein paar Seile im unordentlichen Haufen in der Ecke, eine weggeworfene Zigarettenschachtel, eine Petroleumlampe, die ich aber nicht entzünden konnte, weil ich keine Streichhölzer mitgebracht hatte – kurz: der typische Forstschuppen eben … nichts Geheimnisvolles, keine technischen Gerätschaften, um Menschen in andere Dimensionen zu beamen, ja nicht einmal ein Stromanschluss!
    Die Markierungen auf dem Boden waren verschwunden, auch bei genauem Hinsehen konnte ich davon keinerlei Spuren entdecken. Sollte mich meine Erinnerung trügen?
    Ich zuckte zusammen. Da hatte sich hinter mir etwas bewegt, kaum hörbar, aber da war ein schwacher Lufthauch gewesen, so, wie wenn man in einer Menschenmenge von einem Passanten gestreift wird, ein halblauter Knall – nein, kein Knall, eher ein Glucksen …
    Charlie, den ich an der Leine hielt, zerrte daran, ich sah, wie sich sein Fell sträubte und er die Zähne zeigte. Westhighland Terrier sind gutmütige Hunde, aber wenn Gefahr droht, können sie ihr Kämpferblut nicht verleugnen. Ich war froh, den Kleinen bei mir zu haben, obwohl da nach wie vor nichts und niemand war, den ich als Gefahr erkennen konnte. Doch was hatte dieser Luftzug und dieses Glucksen zu bedeuten? Die Manifestation einer Versetzung, einer unvollendeten Versetzung vielleicht, weil der ›Besucher‹ sich durch mich gestört fühlte, den Kontakt mit mir scheute?
    »Sagen sie doch etwas, geben Sie sich zu erkennen«, rief ich und musste feststellen, dass es wie ein Krächzen klang, vielleicht, weil ich zu lange die Luft angehalten hatte. »Ich will mit Ihnen reden, helfen Sie mir doch bitte. Geben Sie sich zu erkennen«, flehte ich, jetzt schon mit festerer Stimme und hob instinktiv beide Hände in der universellen Geste des Friedens.
    Stille, absolute Stille. Charlie hatte sich auch beruhigt und sich auf dem harten Betonboden niedergelassen. Er sah mich an, als wundere er sich über meine für ihn unmotivierten Worte.
    Nein, ich hatte mir das nicht eingebildet, da war jemand gewesen, und meine Schriftstellerfantasie begann, aus den wenigen Indizien ein Bild aufzubauen und dem Phänomen Gestalt zu verleihen.
    Ich erinnerte mich an meinen Traum, an die Männer, die in der Hütte gesessen und diskutiert hatten und – offenbar von mir erschreckt – sich dann in Luft aufgelöst hatten. Sie waren mir so plastisch erschienen, dass ich gegen jede Vernunft einfach nicht ganz überzeugt war, dass das nur ein Traum gewesen war. Vielleicht handelte es sich um Wesenheiten, die ihre Präsenz auf geistigem Wege projizierten, so wie sie sich vielleicht auch ausschließlich körperlos oder mit psychischen Kräften zwischen den Dimensionen bewegten – also nicht: ›Beam me up, Scotty‹ …
    Vielleicht war diese Hütte eine Art Tor zwischen den Welten, so etwas wie ein Bahnhof, ein Knotenpunkt, eine Kreuzung. Und diese Wesen, diese Menschen, beobachteten uns, hielten sich aber vor uns versteckt, wie es in vielen Science-Fiction-Romanen die Angehörigen weiter entwickelter Zivilisationen gegenüber rückständigeren ›Eingeborenen‹ taten. Aber ich war kein rückständiger Eingeborener, ich war ein gebildeter Mensch, Endprodukt einer jahrtausendelangen Entwicklung, die in den Steppen Afrikas begonnen, im Zweistromland ihren ersten Höhepunkt erreicht und inzwischen Technologien hervorgebracht hatte, die es dem Menschen erlaubte, den Weltraum zu erobern. Die konnten doch nicht einfach so tun, als gäbe es mich nicht, als sei ich ein unwissender Wilder, dem man sich nicht zeigen darf, um ihn nicht in seiner Entwicklung zu stören.
    Mein ganzer Stolz bäumte sich gegen diese Behandlung auf, und allmählich wuchs in mir die Überzeugung, dass meine Theorie richtig war, dass es hier Leute gab –

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