Nebenweit (German Edition)
die Fugen zwischen Tor und Rahmen hineinzusehen, aber auch jetzt war nur dieses Flackern zu erkennen, jedoch nicht der geringste Hinweis darauf, wovon es ausging. Ich richtete mich auf, überlegte. Wenn da jemand in der Garage war und über die Fähigkeit verfügte, sich so in Luft aufzulösen, wie ich das in meinem Traum erlebt hatte, würde er das ganz bestimmt auch tun, wenn ich jetzt das Garagentor mit dem Funksender öffnete, der an meinem Schlüsselbund hing. Das schwere Tor würde mehrere Sekunden brauchen, bis es sich nach oben geschoben hatte, und bis dahin würde er verschwunden sein.
Ich musste es vom Haus aus versuchen. Im hinteren Bereich der Garage gab es einen kleinen Arbeitsraum, zu dem aus dem Hausflur eine Tür führte. Ich schlich mich ins Haus, bewegte mich auf Zehenspitzen, war gewärtig, jeden Augenblick wieder diesen leisen Knall zu hören, der diese Manifestationen bisher immer begleitet hatte. Immer? Einmal im Traum und einmal in der Realität!, korrigierte ich mich – und drückte schließlich lautlos, wie ich hoffte, die Klinke nieder. Als ich die Garage betrat, hörte das Flackern nicht auf, es kam von hinter dem Mercedes, der mitten im Raum stand. Ich arbeitete mich vorsichtig um den voluminösen Wagen herum – und sah jetzt, dass da an der rechten Hinterseite, über dem Tankdeckel eine Diode rhythmisch blau pulsierte.
Ich spürte, wie ich explosionsartig ausatmete – ich musste wenigstens eine Minute lang die Luft angehalten haben – und schlug mir mit der flachen Hand gegen die Stirn. Klar doch! Carol hatte mir noch eingeschärft, den Wagen bei jedem etwas längeren Aufenthalt in der Garage an die Steckdose anzuschließen. »Sonst bist du vom Benzin abhängig, und damit kommst du nicht weit«, hatte sie mir, dem Autokenner, empfohlen. Und das hatte ich natürlich vergessen. Jetzt erinnerte mich der Bordcomputer – Bordrechner, verbesserte ich mich in Gedanken – an das Vergessene. Ich atmete noch einmal tief durch, kramte dann das Kabel aus der Tankklappe und steckte es in die Dose an der Wand, worauf das Flackern sofort aufhörte und die Diode über der Tankklappe in stumpfem Gelb zu leuchten begann. Morgen früh würde sie grün leuchten, hatte mir Carol erklärt, damit war ich dann für bis zu sechshundert Kilometer gerüstet.
9
Wieder ein Tag ergebnislos verstrichen, dachte ich, als ich eine Stunde später mit einem Glas Wein vor dem Fernseher saß und ohne großes Interesse das Endspiel um den Europokal an mir vorbeiziehen ließ. Juventus Turin spielte gegen Manchester United – immerhin eine gewisse Konstante zwischen den Kontinua. Ich hatte das Spielgeschehen von Anfang an verfolgt, ManU führte in der 86. Minute 3:1, es war also nicht mehr mit Überraschungen zu rechnen. Das Spiel hatte mich immerhin ein wenig abgelenkt, und ich verspürte einen Anflug innerer Ruhe. Aber vielleicht war das auch dem Merlot in meinem Glas zuzuschreiben, sinnierte ich nach einem Blick auf die fast geleerte Flasche.
Ich beschloss, zu Bett zu gehen und, soweit die Nachwirkungen des Weins das zuließen, darüber nachzudenken, wie ich mit den ›Dimensionsspringern‹ Kontakt aufnehmen sollte. Dass es sie gab, stand für mich inzwischen außer Zweifel, und auch meinem Traum maß ich inzwischen eine wesentlich größere Bedeutung bei, als ich dies ursprünglich getan hatte. Ich wollte nicht einmal ausschließen, dass dieser Traum kein Zufall und auch keine Reaktion meiner überreizten Nerven gewesen, sondern ursächlich den ›Springern‹ zuzuschreiben war …
Als ich die Treppe ins Obergeschoss hinaufstieg, musste ich mich am Geländer festhalten, um nicht zu straucheln. Ich hatte kaum etwas gegessen, und da war es kein Wunder, dass sich die fast geleerte Flasche Wein bemerkbar machte …
Ich weiß nicht mehr ganz genau, wie ich ins Bett gefunden hatte, wohl aber, dass ich erneut von der Hütte träumte. Wieder standen dort die zwei Männer in den grünen Hosen, die Männer aus dem letzten Traum, Schnurrbart und der andere, nur dass ich mir diesmal einbildete, sie reden zu hören, und mich abquälte, etwas davon zu verstehen oder die Worte wenigstens einer bestimmten Sprachfamilie zuzuordnen. Schließlich beherrschte ich selbst einige Sprachen mehr oder weniger gut und war weit genug in der Welt herumgekommen, um ein Ohr für fremde Sprachen zu haben.
Wenn man einmal davon absah, dass sie ganz sicherlich nicht Deutsch oder Englisch und aller Wahrscheinlichkeit nach
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