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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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will auf Nummer sicher gehen. Deshalb habe ich mir diese Hütte näher angesehen. Dabei ist mir aufgefallen, dass sich da manchmal Leute zu schaffen machen, die da eigentlich nicht hingehören. Ich meine, eigentlich ist das ein Werkzeugschuppen des Forstamts –«
    »Hast du mit der Polizei gesprochen?«, unterbrach mich mein Freund, der Professor, erneut und sah mich dabei hinter seinen randlosen Gläsern mit großen Augen an.
    »Ja, schon, aber da hatte ich den Eindruck, dass die mich nicht richtig ernst nehmen. Hör zu, ich will es kurz machen: Ich habe die Sache selbst in die Hand genommen und in der Hütte eine Netzkamera angebracht und die Leute – zwei Männer, um genau zu sein – belauscht. Das Seltsame ist, die haben sich in einer Sprache unterhalten, die mir völlig fremd ist, und ich bin schließlich ein wenig in der Welt herumgekommen und kenne mich mit Sprachen ganz gut aus. Und da habe ich mir gedacht –«
    »Dass der alte Richard noch ein paar Sprachen mehr beherrscht und da vielleicht helfen könnte. Wenn’s weiter nichts ist. Gib her.«
    Ich sah ihn verblüfft an. »Was soll ich hergeben?«
    »Na ja, wenn du schon eine Netzkamera eingebaut hast, dann hast du doch mit Sicherheit eine Aufnahme von dem Kauderwelsch gemacht, das du nicht entziffern kannst, oder?«
    Ich nickte und griff ein wenig schuldbewusst in die Vortasche meines Koffers, den ich neben meinem Sessel auf den Boden gestellt hatte. »Ich habe etwa zehn Minuten Aufnahme auf eine DVD gebrannt«, gab ich zu und reichte Richard die silberne Scheibe, worauf der sie wortlos in den Schlitz eines DVD-Spielers im Regal hinter sich schob und einen Schalter umlegte. Der Monitor auf seinem Tisch wurde hell, dann sah ich die Szene in der Forsthütte vor mir und hörte wohl zum zehnten Mal die beiden Männer miteinander diskutieren.
    Richard hatte sich im Sessel zurückgelehnt, die Augen halb geschlossen und hörte konzentriert zu. Das Bild der beiden Männer schien ihn überhaupt nicht zu interessieren. Als die Aufnahme zu Ende war, ließ er die DVD zurücklaufen und hörte sie sich wortlos ein zweites Mal an, machte sich dabei ein paar Notizen auf einem Block und nickte schließlich. »Klingt wie Gälisch, allerdings ziemlich verändert, und ein paar Wortfetzen könnten sogar Latein sein.« Man konnte ihm ansehen, dass sein Interesse geweckt war. Jetzt war er ganz Wissenschaftler, einem Geheimnis auf der Spur. »Seltsam, das ist nicht das Gälisch, das die Leute heute in Wales oder hoch oben in Schottland sprechen, es klingt irgendwie antiquiert, und dann die lateinischen Wortfetzen … Hör zu, das muss ich mir gründlich anhören. Das kostet Zeit. Wenn es dir so wichtig ist – und das ist es vermutlich ja, sonst hättest du mir die DVD geschickt und wärst nicht persönlich gekommen –, nehme ich mir die Aufnahme gleich vor. Ich bringe dich jetzt in dein Hotel und dann treffen wir uns heute Abend dort zum Essen. Bis dahin sollte ich mehr wissen.«
    ***
     
    Richards alter Jaguar, ein XJ Baujahr 1968, der klassische Jaguar schlechthin, wie er voll Stolz jedem, der es hören wollte, erklärte, trug uns in wenigen Minuten zum Old Patronage, einem über und über von Glycinien überwucherten Steinbau aus dem siebzehnten Jahrhundert. Ich war sofort begeistert, als wir die geräumige Halle betraten und ich im Hintergrund ein Kaminfeuer knistern hörte. Richard verabschiedete mich an der Rezeption, nachdem er sich vergewissert hatte, dass mein Zimmer bereit und für uns ein Tisch für das Dinner gebucht war. Ich war jetzt mir selbst überlassen und brach, nachdem ich meine Reisetasche aufs Zimmer gebracht und meine Sachen im Schrank verstaut hatte, zu einem kleinen Spaziergang auf. Ich fand mich mitten in der Welt der Gelehrsamkeit, im Herzen der alten Universitätsstadt, und schlenderte vorbei an den Colleges, die das Hotel umgaben, zu den breiten Wiesen am Ufer des Cherwell, auf dem ein paar Kähne trieben. Ich war jetzt seit über zwölf Stunden unterwegs und, obwohl ich im Zug ein wenig geschlafen hatte, müde. So blieb mein Spaziergang ein ziemlich symbolischer und endete bereits nach einer halben Stunde.
    In mein gemütliches Zimmer im ersten Stock zurückgekehrt holte ich mir eine Flasche Pellegrino aus dem Kühlschrank, trank einen großen Schluck, stellte das Glas auf den Nachttisch und legte mich ins Bett. Ich muss sofort eingeschlafen sein, denn das Schnarren des Telefons weckte mich aus tiefem, traumlosem Schlaf. Ich war desorientiert

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