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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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gemütlich wirkenden Raum mit dunkel vertäfelten Wänden, warmem Licht aus Kristallleuchtern an den Wänden und einem imposanten Kamin, in dem zwei gewaltige Holzscheite knisterten. Unser Tisch stand in einer Ecke, abseits von den anderen Gästen, und war makellos mit Kristall und Silber gedeckt und von einem dreiarmigen Kerzenleuchter gekrönt. Richard Moriarty war ein Genießer mit Stil und schätzte gutes Essen in gepflegter Atmosphäre. Als wir Platz genommen hatten, stellte ein dienstbarer Geist unsere Gläser aus der Bar neben uns und der Oberkellner reichte uns die Karten.
    Damit war ich auf eine Viertelstunde der Antwort enthoben, weil eine Anzahl wichtiger Entscheidungen zu treffen war. Wir entschieden uns beide für schottischen Lachs als Vorspeise, anschließend bestellte Richard Aylesbury Duck à l’orange während ich mich für ein Angussteak entschied. Der Sommelier, der lautlos an den Tisch getreten war und abgewartet hatte, bis unsere Wahl getroffen war, riet uns zu einem 07er Pomerol, was Richard nach kurzer Überlegung akzeptierte.
    »So«, meinte er dann, als wir wieder allein waren, und musterte mich herausfordernd, »und jetzt raus mit der Sprache, old man. Ich habe deine DVD noch nicht ganz entschlüsselt, aber da gibt es ein paar Passagen, die doch recht spannend klingen. Von wegen ›Fremdkörper‹ und ›Entführung‹ und ›vertuschen‹ und dergleichen. Ich denke, wenn ich rauskriegen soll, was die beiden Jungs da gesprochen haben, muss ich etwas mehr über den Hintergrund deiner Geschichte wissen.« Wieder dieser fordernde Blick.
    Ich atmete tief durch. Dass meine Story nicht lange halten würde, hatte ich ja von vornherein gewusst. Und Richard war ja ein echter Freund, auf den man sich verlassen konnte. Das hatte er in Washington mehr als einmal bewiesen, wenn ich ihm zu später Stunde und nach einigem Alkoholgenuss Dinge aus meinem Berufsalltag anvertraut hatte, die nicht für jedermann bestimmt waren.
    »Also gut. Aber du musst mir versprechen, dass du mich nicht für verrückt hältst und weder eine Ambulanz bestellst noch mich zum Gehirnklempner schleppst. Versprochen?« Ich streckte ihm die Hand hin und er schlug ein. »Gut. Hast du schon einmal von Parallelwelten gehört? Welten, in denen die Geschichte anders verlaufen ist als in unserer Realität?«
    Du meinst, so wie diese Story von Winston Churchill, »Wenn Lee die Schlacht von Gettysburg verloren hätte?«
    »Du hast den Nagel auf den Kopf getroffen, nur dass …« Ich hielt inne. Ich hatte ihn korrigieren wollen, aber dies war ja nicht meine Welt, und offenbar hatte der große Staatsmann und Schriftsteller in dieser Welt sozusagen ein Spiegelbild der Story geschrieben, die ich kannte. »Nur dass es so etwas wirklich gibt«, fuhr ich etwas lahm fort. »Bleib jetzt bitte ganz ruhig, du sitzt nämlich nicht dem Bernhard Lukas gegenüber, den du kennst, sondern einem aus einer Welt, in der der amerikanische Bürgerkrieg tatsächlich von den Nordstaaten gewonnen wurde und in der Amerika heute die mächtigste Nation der Welt ist.«
    Richard hatte das Glas mit seinem Drink zum Mund geführt und hielt jetzt wie erstarrt inne. Seine blauen Augen, die die starken Brillengläser ohnehin schon größer erscheinen ließen, wirkten riesengroß. »Du machst dich über mich lustig! Das ist eine von deinen Technovisions-Geschichten, die du an mir ausprobieren willst …«
    »Nein, Richard, das ist es nicht. Die Sache ist mir viel zu ernst, um darüber Witze zu reißen. Bitte hör mir zu und glaube mir. Du lebst in einer Welt, die seit hundertfünfzig Jahren zumindest in der westlichen Hemisphäre keine Kriege mehr erlebt hat. In der meinen sind in den fünfundsiebzig Jahren zwischen 1914 und 1989 in zwei gewaltigen Weltkriegen und zahllosen kriegerischen Auseinandersetzungen dazwischen an die hundert Millionen Menschen gestorben. In den beiden großen Kriegen waren dein Land und meines erbitterte Feinde, und Winston Churchill, dessen Story du gerade erwähnt hast, war zwar auch in meiner Welt ein begnadeter Schriftsteller, seinen eigentlichen Ruhm aber hat er sich als Premierminister deines Landes im Zweiten Weltkrieg errungen.«
    Richard setzte sein Glas ab, ohne getrunken zu haben, und starrte mich immer noch mit halb geöffnetem Mund an. In ihm arbeitete es, er versuchte, eine Frage zu formulieren, aber ich ließ ihn nicht zu Wort kommen. »Noch einmal, glaub mir bitte. Ich weiß, das ist nicht einfach. Ich habe selbst eine Weile

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