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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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ermöglichen.«
    »Ich wollte, ich könnte Ihnen Hoffnung machen«, erwiderte er und spreizte dabei in einer sehr gallisch wirkenden Geste die Hände. »Glauben Sie mir, ich weiß ja selbst nicht, wie wir das anstellen. Unsere Gelehrten haben sich schon seit Jahrzehnten den Kopf darüber zerbrochen, sich aber am Ende der Erkenntnis nicht verschließen können, dass sich diese Fähigkeit wissenschaftlich nicht erschöpfend erklären lässt. Jedenfalls nicht mit unseren Mitteln. Wobei Sie nicht vergessen sollten, dass Wissenschaft für uns noch ein ziemlich junger Begriff ist. Anscheinend liegt diese Fähigkeit in den Genen meines Volkes – aber es ist uns bisher nicht gelungen, dies näher zu erforschen. Vielleicht könnten Ihre Wissenschaftler das, nur ist uns ja daran gelegen, unsere Existenz geheim zu halten. Das ist übrigens ein Thema, über das wir uns bei unserem nächsten Zusammentreffen detailliert unterhalten sollten.
    Tatsache ist, dass die Fähigkeit sich meist vererbt, gelegentlich werden dabei auch einmal eine oder zwei Generationen übersprungen. Diejenigen von uns, die den ›Trick‹ beherrschen, tun dies intuitiv. Noch vor zweihundert Jahren waren wir uns dessen überhaupt nicht bewusst – es sind also einfach Leute verschwunden oder plötzlich aufgetaucht, ohne zu wissen, wo sie sich befanden oder warum ihre Umwelt plötzlich so anders war, in manchen Fällen sogar erschreckend anders. Das hat zu mancher Tragödie geführt, das können Sie mir glauben.«
    »Und ob ich Ihnen das glaube«, unterbrach ich seinen Redefluss. »Was denken Sie wohl, was ich empfunden habe, als ich plötzlich feststellen musste, dass ich nicht hierher gehöre? Und mit welchen Gefühlen ich zu meiner Frau – also zur Frau meines Pendants – nach Hause gefahren bin, können Sie sich wahrscheinlich überhaupt nicht ausmalen …«
    Inzwischen hatten wir Rosenheim erreicht. Voll Interesse registrierte ich, dass dort im Lokschuppen, einem alten Backsteinbau, der früher einmal genau das gewesen war, was sein Name aussagte, also eine Art Garage für Lokomotiven der Eisenbahn, der heute aber als Veranstaltungsbau diente, eine Ausstellung ›200 Jahre Deutscher Bund‹ zu sehen war. Ich nahm mir vor, mir diese Ausstellung bei Gelegenheit anzusehen. Bestimmt. Sicher würde ich da einiges über die Geschichte dieser mir immer noch so fremden Welt erfahren.
    »Sie können mich jetzt aussteigen lassen«, meinte mein Fahrgast. »Ich gehe gern noch ein paar Meter zu Fuß.« In Wirklichkeit wollte er vermutlich nicht, dass ich erfuhr, wo er wohnte. Das konnte ich gut verstehen. Wir hatten uns beinahe freundschaftlich unterhalten, waren aber wahrscheinlich beide nicht immer und in allen Punkten ganz offen zueinander gewesen. Schließlich hatte jeder von uns beiden seine eigenen Interessen.
    »Was meinen Sie, wollen wir unser Gespräch heute Abend fortsetzen?«, fügte er hinzu und sah mich dabei erwartungsvoll an.
    Das deckte sich mit meinen Vorstellungen. Es galt, das Eisen zu schmieden, solange es heiß war, und es gab noch eine ganze Menge Dinge, die ich von ihm wissen wollte. Und eine zu lange Nachdenkphase brauchte ich auch nicht. »Soll mir recht sein. Jetzt ist es zwei Uhr, was halten Sie davon, wenn wir uns um acht zum Abendessen treffen? Kennen Sie den Hammerwirt?« Ich hatte dort einige Male mit Carol gegessen, und das Lokal hatte den Vorteil, sehr zentral zu liegen, ich würde also in der chronisch überfüllten Stadt keine Parkprobleme haben.
    »Ja, das Lokal kenne ich, da habe ich schon mal sehr gut gegessen. Acht Uhr also, ist mir recht«, nickte er. Dann bot sich eine Möglichkeit zum Anhalten, und wir verabschiedeten uns voneinander.
    Die nächste halbe Stunde war ich mit meinen Gedanken allein und versuchte, etwas Ordnung in das viele Neue zu bringen, das ich von Dupont erfahren hatte. Ziemlich klar war mir, dass ich es mit einer gut aufgestellten Organisation zu tun hatte und dass hinter ihr auch eine gezielte Politik stand. Dupont hatte zwar versucht, den Eindruck zu erwecken, sein Volk sei noch ziemlich primitiv und technisch rückständig – aber damit untertrieb er vermutlich mächtig. Und ob man sich wirklich nur als sozusagen ›Auserwählter‹ zwischen den Welten bewegen konnte, schien mir auch keineswegs bewiesen. Doch wie den Gegenbeweis antreten oder der Wahrheit auf die Spur kommen? Und dann der Hinweis auf ›plötzlich aufgetauchte‹, verwirrte Menschen. Das deutete auf solche aus anderen Zeitlinien als

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