Nebenweit (German Edition)
Geschichte zu erzählen, aber dann machte ich mir wieder klar, dass sie mich dann für verrückt halten würden.
Gestern und vorgestern hatte ich jeweils den Nachmittag auf Tybee Island verbracht, war ein wenig geschwommen und hatte anschließend einen kleinen Bummel durch die diversen Andenkenläden am Strand gemacht. Dabei war ich doch tatsächlich auf Theresa gestoßen, meine Sitznachbarin von dem Flug von Atlanta nach Savannah. Sie hatte mich mit großem Hallo begrüßt und darauf bestanden, dass ich mit ihr einen Drink nahm. Ich hatte den Fehler gemacht, sie zu einem Mai Tai einzuladen, was natürlich zur Folge gehabt hatte, dass sie sich mit einem zweiten Drink revanchierte, der ihre Zunge löste. Und das hatte mich einem endlosen Wortschwall über ihre Familie, die Arbeitslosigkeit ihres Schwagers, die Schulprobleme ihrer beiden Neffen und die wohl nicht mehr abzuwendende Scheidung ihrer Schwester Abigail ausgesetzt.
Sie hatte mehrfach durchblicken lassen, dass sie mich sehr gerne angerufen hätte, aber meine Telefonnummer nicht hatte, und vermutlich war es sehr unhöflich von mir gewesen, diese zarten Hinweise zu überhören und Cindys und Gregs Nummer nicht herauszurücken. Schließlich hatte sie das Thema gewechselt, vermutlich nicht aus Höflichkeit, sondern aus nicht versiegendem Mitteilungsbedürfnis. Als sie schließlich heiser geworden war und erkannt hatte, dass ich keinen dritten Drink bestellen würde, hatte sie erklärt, jetzt nach Hause zu wollen, mir erneut ihre Telefonnummer aufgenötigt und die Hoffnung geäußert, dass »man sich ja sicher bald wieder sehen würde«. Dem hatte ich zugestimmt und für mich beschlossen, Tybee Island die nächsten Tage zu meiden.
Heute hatte ich Cindy und Greg am Morgen in deren Pick-up zur Arbeit gebracht, um den Wagen tagsüber zur Verfügung zu haben, und hatte den Tag dazu genutzt, meine Bekanntschaft mit Savannah zu erneuern. Ich liebte diese Stadt, in der ich aufgewachsen war, liebte ihre alten Häuser, die noch aus der Zeit vor dem Krieg zwischen den Staaten stammten, auch wenn die meisten davon heute teilweise verfallen waren, liebte die schattigen Straßen und die einundzwanzig Squares, die General Oglethorpes Siedler vor beinahe dreihundert Jahren an den Schnittpunkten der Straßen angelegt hatten, als sie ihre Kolonie am Savannah River gegründet hatten. Es war ein für die Jahreszeit recht heißer und schwüler Tag gewesen, ich war also für den Schatten dankbar gewesen, den die mächtigen Eichen spendeten, als ich mich am Reynolds Square auf einer Parkbank niedergelassen hatte, um mich ein wenig auszuruhen.
Später, als ich allmählich Appetit bekam, hatte ich mich im historischen Viertel in einem Straßencafé niedergelassen und mir dort ein Sandwich und einen Eistee einverleibt und mir dabei bewusst gemacht, dass dies ein Getränk war, das ich in Deutschland kein einziges Mal auf einer Speisekarte gefunden hatte. Auf der Straße war wenig Verkehr, ein paar Fahrradtaxis waren auf der Jagd nach Touristen und ab und zu rumpelte ein Lieferwagen oder ein Pferdefuhrwerk vorbei, um die Lokale und Geschäfte mit Ware zu versorgen. Ich hätte mir die Mühe sparen können, Gregs Pick-up in eine Garage zu bringen, wie ich das von Deutschland gewohnt war. Man spürte einfach überall die Armut, die hier herrschte, an den Preisen auf der Speisekarte ebenso wie an der Kleidung der Passanten, sofern es sich nicht um wohlhabende Touristen aus Übersee handelte, für die Savannah mit seinem historischen Flair von jeher ein Anziehungspunkt gewesen war.
Nachdem ich bezahlt hatte, war ich zum Wagen zurückgegangen, hatte die fünf Cent Parkgebühr für zwei Stunden beglichen und mich auf den Rückweg nach Carterville gemacht, nicht ohne unterwegs noch an einem Supermarkt Station zu machen, um zwei große Tüten voll Lebensmittel einzukaufen und den Pick-up vollzutanken. Ich wusste, dass Greg und Cindy nicht übermäßig gut verdienten, und gab mir alle Mühe, den beiden nicht zur Last zu fallen, wollte sie aber auch nicht mit dem Angebot beleidigen, für meinen Aufenthalt zu bezahlen.
Während ich neben dem höchstens zwölfjährigen schwarzen Jungen, der meine Tüten trug, zum Pick-up zurückging, kam mir der Gedanke, wieder nach Hause zurückzukehren, und der reifte jetzt zum Entschluss. Ich würde mich persönlich bei Bernd für mein Verhalten entschuldigen und mir Mühe geben, das Beste aus unserer Situation zu machen. Wenn Dupont ihm die Wahrheit gesagt
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