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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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beigebracht, unverständliche Laute von sich zu geben und dabei auf ihren Mund zu zeigen. Aber das sollte jetzt anders werden, hatten die Weisen gesagt. Ein paar von den Büchern, die er im Laufe seines Aufenthalts bei gelegentlichen Besuchen im Heimatdorf mitgebracht hatte, waren für Kinder geschrieben, sie benutzten sie zum Lernen. Schule nannten sie das, und die Kinder der wohlhabenden Menschen in der Anderen Welt besuchten mehrere Jahre lang diese Schulen. Manche wurden auch von Männern oder Frauen zu Hause unterrichtet, aber das geschah nur bei den ganz Reichen.
    Elax hatte gelernt, dass es mehrere Arten von Reichtum gab, anders als in seinem Dorf. Dort war man reich, wenn man mehr Land besaß, als man brauchte, um sich und seine Familie zu ernähren. Man konnte dann Getreide oder was sonst auf dem Acker wuchs, an andere abgeben und bekam dafür Dinge, die sie herstellten, Kleidung etwa oder Schuhe. In der Anderen Welt war das viel komplizierter. Dort bekam man für seine Arbeit etwas, das sie ›Geld‹ nannten, Münzen aus Kupfer oder sogar Silber und Gold. Mit diesem Geld konnte man Brot oder Fleisch oder Kleidung kaufen. Dann gab es Menschen, die hatten so viel von diesem Geld, dass sie gar nicht mehr zu arbeiten brauchten und andere Menschen dafür bezahlten, dass diese sie bedienten oder für sie arbeiteten, damit sie selbst noch mehr Geld verdienten.
    Das hatte man Elax schon erklärt, ehe er in die Andere Welt gerutscht war, und er hatte große Mühe gehabt, es zu begreifen. Aber die Weisen hatten ihm Geld mitgegeben und ihm gesagt, er müsse zusehen, wie er zurechtkomme, und sich möglichst bald bezahlte Arbeit suchen. Sie hatten ihm einen versteckten Ort im Wald gezeigt, an den er nachts zurückkommen und sich Nahrung holen konnte, einen Ort, den nur die Weisen und er kannten und der auch in der Anderen Welt im Wald versteckt und schwer zugänglich war. Er musste das tun, weil das wenige Geld, das er als Tagelöhner verdiente, zu wertvoll war, um es für Essen auszugeben. Er sollte damit Bücher kaufen, sobald er einmal die Sprache hinreichend gut beherrschte, um bei solchen Käufen nicht aufzufallen.
    Einmal hatte ihn einer der Männer, die am Flussufer Bücher verkauften, angeschrien: »Was willst du Tölpel denn mit diesem Buch, du kannst ja kaum reden, geschweige denn lesen.« Elax war erschrocken, hatte auf seinen Mund gedeutet und dem Mann eine Münze gezeigt, worauf der sich beruhigt und ihm das Buch verkauft hatte.
    Er hatte noch nie in seinem jungen Leben vor einer größeren Zahl von Menschen gesprochen und hatte sich zuerst gesträubt, aber der Weise Mann hatte ihn beschwichtigt und ihm versprochen, dass er ihm helfen würde. Er solle nur einfach erzählen, was er erlebt hatte, sollte die Fragen beantworten, die man ihm möglicherweise stellen werde, dann würde sich alles Weitere von selbst ergeben.
    ***
     
    1830
     
    Elax sah sich in dem von Talgkerzen beleuchteten Raum um und ließ den Blick über die Köpfe seiner Schüler schweifen, die erwartungsvoll zu ihm aufblickten. An die fünfzig waren es, alles junge Männer und Frauen aus den sieben Dörfern der Gäler, der jüngste fünfzehn, der älteste vielleicht neunzehn Jahre alt. Er erinnerte sich, wie er zum ersten Mal vor der Dorfversammlung von seinen Erlebnissen in der Anderen Welt berichtet hatte. Er musste schmunzeln. Panische Angst hatte er gehabt, und er hatte zuerst kein Wort hervorgebracht, als ihn Alu Mantrax auf dem niedrigen Podium angekündigt hatte, Mantrax, der jetzt schon zwei Jahre tot war und ihn zu seinem Nachfolger bestimmt hatte.
    Er war damals nach einem Jahr in der Anderen Welt ins Dorf zurückgekehrt und hatte seinen staunenden Stammesgenossen von all den Wundern erzählt, die er dort gesehen und erlebt hatte. Nach den ersten paar Augenblicken, in denen ihm der kalte Schweiß auf der Stirn gestanden hatte, war es ihm plötzlich ganz natürlich erschienen, dass er da stand und erzählte. Die bewundernden Blicke hatten ihm gutgetan, ihm geschmeichelt, und er hatte sich gewünscht, Munix könnte mit im Saal sein und sehen, wie alle bewundernd zu ihm aufblickten. Aber Munix war nach der Sitte des Stammes noch ein Kind und hatte in der Versammlung der Erwachsenen keinen Platz.
    Jetzt stand er wieder vor einer Versammlung seiner Stammesgenossen, nur dass es diesmal junge Menschen waren, Menschen, die er in zwei Jahren harter Arbeit darauf vorbereitet hatte, in die Andere Welt hinüberzurutschen und dort Wissen zu

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