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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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Frau und jetzt dem Weisen Mann erzählt hatte.
    Manchmal zweifelte sie an sich, überlegte, ob alles nicht bloß ein böser Traum gewesen war, ein Traum, wie sie ihn schon Monde vor ihrem Erlebnis bei diesen vielen Menschen gehabt hatte. Aber dann war da immer wieder dieser zerlumpte Mann mit den gelben Zahnstummeln, und sie spürte seinen fauligen Atem im Nacken, seine Hand mit den schwarzen Nägeln, die nach ihr tasteten …
    … und wie sie plötzlich von jenem schrecklichen Ort weggerissen wurde und fröstelnd vor der Hütte ihrer Eltern stand, in ihrem dünnen Gewand vor Kälte zitternd, spürte, wie ihr Herz wie wild schlug, als müsse es ihre Brust sprengen.
    Der Weise Mann musterte sie prüfend, sagte nichts, legte ihr tröstend die Hand auf die Schulter. »Ja, Kind, bald. Ich weiß, das strengt dich an, aber wir müssen wissen, was da mit dir geschehen ist. Und du bist ganz sicher, dass du kein Wort von dem, was da gesprochen wurde, verstanden hast? Ich meine, wenn das die Geister unserer Vorfahren gewesen wären, dann hätten sie doch unsere Sprache gesprochen, und du hättest sie verstanden. Versuche doch, dich zu erinnern.«
    Jetzt konnte Artix nicht mehr an sich halten. Tränen traten ihr in die Augen, rannen ihr über die blassen Wangen, tropften auf den Boden. »Ich kann doch nur sagen, woran ich mich erinnere. Es war ganz wie in dem schrecklichen Traum. Dem Traum, in dem man diesem Mann den Kopf abgeschlagen hat. Da haben auch alle durcheinandergeredet und -geschrien, und ich habe kein Wort verstanden. Kein einziges, glaub mir doch.
    Beim nächsten Mal, da kam dieser Mann auf mich zu und hat auf mich eingeredet. Er hatte zottiges, dunkles Haar und ganz gelbe Zähne, aber nicht mehr viele, so wie die ganz Alten bei uns. Aber ich habe ihn gerochen. Ganz faulig war das, ein Geruch wie … wenn etwas verwest. Das habe ich mir nicht eingebildet. Und dann hat er mich angefasst. Zuerst hat er an meinem Gewand gezerrt, dann hat er mich am Arm gepackt … Mit einem Mal war alles vorbei, und ich stand vor der Hütte meiner Eltern. Frag doch meine Mutter, sie hat mich gesucht, aber ich war nicht da. Sie hat sich um mich geängstigt, weil sie dachte, ich hätte mich im Wald verlaufen … und dann stand ich plötzlich vor der Hütte. Genauso war’s, glaub mir doch.«
    »Das tue ich doch, Kind, warum solltest du mich belügen?«, versuchte Mantrax die Kleine zu beschwichtigen. Was sie ihm da erzählte, ihm schon bestimmt zehnmal erzählt hatte, war immer wieder das gleiche Geschehen. Ein Geschehen, das weder er noch Belotrix sich erklären konnten. Belotrix hatte im Rat der Al von Artix’ Erlebnis berichtet, und Mantrax als Oberster im Rat hatte beschlossen, sich die Kleine selbst anzuhören, war aber jetzt auch nicht klüger als vorher. Von Träumen, in denen Leute vorkamen, wie Artix sie gesehen zu haben behauptete, war ihm schon öfter berichtet worden. Darüber hatten sie schon manches Mal im Rat gesprochen, und dies nicht erst, seit er dem Rat angehörte. Schon seit vier Generationen ging das so. Die Verse der Druiden berichteten davon, von Leuten, die eine fremde Sprache sprachen, von Bauten, die in den Himmel ragten, großen Ansammlungen von Menschen in seltsamer Kleidung, manchmal auch von Kämpfen zwischen diesen Leuten. Doch dies war das erste Mal, dass jemand wirklich bei ihnen gewesen war und körperlichen Kontakt zu ihnen gehabt hatte, wenn auch nur für kurze Zeit.
    Dass Artix nicht log und sich ihr Erlebnis nicht nur einbildete, stand für ihn fest. Er hatte sie gründlich befragt und er verstand sich auch auf solche Befragungen. Er wusste, dass erfundene Geschichten nicht lange Bestand hatten, wenn man gründlich nachfragte, wusste, dass es einfach unmöglich war, jede kleinste Einzelheit einer erfundenen Geschichte so exakt zu behalten, dass man sie jedes Mal gleich darstellen konnte.
    Als Al beherrschte er die geheime Kunst des Schreibens, die von den Urahnen auf der fernen Insel überkommen war, aus einer Zeit, die beinahe tausend Jahre zurücklag. Diese Kunst, die die Weisen Männer und Frauen vor den Angehörigen ihres Volkes geheim hielten, ermöglichte es ihm, sich während der Befragung Aufzeichnungen zu machen, die er immer wieder mit den Worten des Mädchens verglich. Belotrix hatte das Gleiche getan, hatte sich die Träume immer wieder schildern lassen und war inzwischen ebenso wie Mantrax überzeugt, dass das jüngste Erlebnis kein Traum gewesen war. Nein, für sie stand jetzt fest,

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