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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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Zeit erwogen, die jungen Leute dort auch während der Dauer ihres Aufenthalts in der Anderen Welt unterzubringen, sie dort mit Proviant zu versorgen und sie jeden Tag aufs Neue rutschen zu lassen. Aber dann hatten sie den Plan verworfen. Zum einen wäre bei diesem Vorgehen die Gefahr der Entdeckung viel zu groß, es könnte auffallen, wenn Tag für Tag junge Männer und Frauen aus dem Wald unter den Anderen auftauchten. Zum anderen – und das hatte Elax aus eigener Erfahrung beigetragen – konnte man die Sprache und, was noch viel wichtiger war, die Gewohnheiten der Anderen nur dann wirklich erlernen und sich nachhaltig aneignen, wenn man ständig unter ihnen lebte und damit auch lernte, wie sie zu denken.
    Dass die ganze Aktion damit viel aufwendiger wurde, weil die ›Gesandten‹, wie man sie in den Dörfern nannte, einen Teil ihres Einkommens für ihren Lebensunterhalt aufbringen mussten, war das geringere Übel. Davon hatte er mit einiger Überredungskunst auch jene überzeugen können, die zu einer anderen Meinung neigten.
    Die Gesandten würden über eine Woche verteilt ihr Versteck im Wald in unterschiedlicher Richtung verlassen und sich in den umliegenden Dörfern und Städten Arbeit suchen. Und sie würden ein ganzes Jahr keinen Kontakt mit den Ihren haben, nicht mit ihren Familien in den Dörfern und auch nicht mit ihresgleichen in der Anderen Welt, es sei denn, ein solcher Kontakt ergäbe sich zufällig.
    Und Elax’ Pläne reichten weiter, viel weiter. Eines Tages, in zehn Jahren vielleicht, wollte er in der Anderen Welt eine Schule errichten, wollte seine besten Schüler dazu bewegen, längere Zeit dort zu bleiben, dort Familien zu gründen und ihre Kinder dort zur Welt zu bringen und sie inmitten der Anderen heranwachsen zu lassen. Manchmal hatte er das Gefühl, ein Fremder unter seinen Clangefährten zu sein, anders zu denken und zu empfinden als sie. Seine Welt reichte weit über die Grenzen der sieben Dörfer hinaus, er hatte in der anderen Welt Dörfer und Städte in der Umgebung besucht, das Leben der Menschen studiert und voll Neid, aber auch voll Bewunderung erlebt, um wie viel besser jene Menschen doch lebten. Ganz besonders hatte ihn beeindruckt, dass die Menschen sich die Arbeit teilten, dass es welche gab, die die Felder bearbeiteten, andere, die Werkzeuge für sie herstellten, und wieder andere, die aus den Früchten des Feldes Nahrung für viele herstellten. Und dann gab es natürlich die Reichen, Menschen die in unvorstellbarem Luxus lebten und die ganze Scharen von Bediensteten hatten, die mit nichts anderem beschäftigt waren, als ihrer Herrschaft jede, auch die kleinste, Mühe abzunehmen, und dafür selbst in bescheidenem Wohlstand lebten, prunkvolle Kleidung trugen und in Häusern aus Stein wohnten.
    Die alten Überlieferungen berichteten von ähnlichen Zuständen vor dem Großen Feuer, aber das lag so weit zurück, dass man es bis vor Kurzem in den Bereich der Fabel verbannt und für unmöglich gehalten hatte. Etwa fünfhundert Mal war die Sonne durch den Kreis der Sternzeichen gewandert, seit sein Volk die eisige Insel im Norden verlassen hatte, und etwa ebenso viele Wanderungen des Zentralgestirns hatten sie dort nach dem Großen Feuer ausgehalten, ehe sie die unwirtlich gewordenen Heimat verlassen und den Weg übers Meer nach Süden angetreten hatten. Und in diesen tausend Sonnenläufen hatte sich an ihrem Leben nur wenig verändert, sah man einmal davon ab, dass sie wieder gelernt hatten, Metall zu bearbeiten, das sie in reichlicher Menge in den Ruinen der Alten gefunden hatten.
    Bei den Anderen hatte es kein Großes Feuer gegeben, und so hatten sie in den tausend Jahren – Elax hatte sich diesen Begriff inzwischen wie so viele andere Begriffe der Anderen Welt angewöhnt, verwendete ihn jetzt unbewusst und musste ihn seinen Gesprächspartnern manchmal erklären – vieles hinzugelernt, was ihr Leben leichter und auch sicherer machte. Sie lebten auch länger als seine Stammesgenossen, verloren ihre Zähne erst um das fünfzigste Lebensjahr und manche erlebten im Kreise ihrer Kinder und Enkel gar ihr siebzigstes oder achtzigstes Lebensjahr. In seinem Stamm war man mit fünfunddreißig alt und musste damit rechnen, zehn Jahre später als Greis zu seinen Ahnen einzugehen.
    Elax träumte davon, dass auch sein Volk einmal so leben würde, und gedachte, das dafür erforderliche Wissen aus der Anderen Welt zu holen. Und dazu brauchte er seine Schule, brauchte junge Leute, die andere

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