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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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junge Leute ausbilden konnten …
        
     
     

Bernd Lukas
   
23
     
    Seit dem Besuch im Krankenhaus waren drei Tage vergangen. Über Mortimer war nichts Neues zu erfahren gewesen. Deshalb vermutete ich, dass es Dupont gelungen war, den Mann auf irgendeine Weise beiseitezuschaffen. Das Wort hatte einen unangenehmen Beigeschmack, und ich musste mir Mühe geben, nicht das Schlimmste anzunehmen.
    Unsere Kameras funktionierten, davon hatte ich mich mehrfach überzeugt und inzwischen den ganzen Überwachungsmechanismus so weit automatisiert, dass ich sicher sein konnte, dass das, was auch immer in unserem Haus geschah, jederzeit an einem sicheren Ort registriert wurde. Die Speicherkapazität moderner Rechner war nahezu unbegrenzt, das wusste ich aus meiner eigenen Welt, und die Rechner dieser Welt übertrafen diesen Entwicklungsstand erheblich.
    Ich saß im Wohnzimmer vor dem Fernseher, freilich ohne vom Geschehen sonderlich beeindruckt zu sein, lediglich die perfekte Bildqualität in 3D faszinierte mich nach wie vor, obwohl ich mich mittlerweile eigentlich daran hätte gewöhnen müssen. Es lief irgend ein banales Vorabendprogramm mit Tieren und ein paar jungen Leuten, und ich kämpfte mit dem Schlaf. Die letzten Tage hatte ich viel im Garten gearbeitet. Es galt Vorbereitungen für den nahenden Winter zu treffen, und manchmal, wenn ich Laub rechte oder Sträucher schnitt, hatte ich beinahe das Gefühl, hierher zu gehören. Immer, wenn mir das bewusst wurde, schämte ich mich ein wenig und machte mir dann wieder klar, dass ich ja eigentlich gar keine andere Wahl gehabt hatte, als mich mit der Situation abzufinden, so wie Carol das offenbar auch getan hatte.
    Offenbar, sage ich, denn so, als hätten wir darüber eine Übereinkunft getroffen, hatten wir die letzten drei Tage kaum über das Thema Parallelwelt und alles, was damit in Zusammenhang stand, geredet.
    »Das musst du lesen«, hallte plötzlich ihre Stimme dicht neben mir. Ich fuhr zusammen und sah sie neben mir stehen. »Du warst wohl eingenickt«, spottete sie und reichte mir die Zeitung. »Da schau, im Feuilleton, die Kritik eines Technovisionsromans, der gerade in Japan Furore macht«, erklärte sie und deutete dabei auf das Blatt.
    ›Aufregung in Japan über Technovisionsroman‹, lautete die Überschrift. Ich griff nach dem Blatt und las. Schon nach wenigen Zeilen spürte ich, wie mein Pulsschlag sich beschleunigte. Der japanische Schriftsteller Masao Tanabe, der sich auch in meiner Welt in Liebhaberkreisen einiger Bekanntheit erfreute, hatte einen Roman vorgelegt, der in seiner Heimat für Aufsehen gesorgt und kurz nach Erscheinen bereits die dritte Auflage erlebt hatte.
    ›Hiroshima‹ lautete der Titel des Buches. Es schilderte das Geschehen in einer Alternativwelt, in der das japanische Kaiserreich einen fiktiven Staat USA angegriffen hatte, der das Gebiet der UNS, der CSA, Kaliforniens, Alaskas und Hawaiis umfasste. Die Kriegshandlungen hatten mit einem japanischen Luftüberfall auf den Hafen Pearl Harbor auf der Hawaiiinsel Oahu begonnen, Japan hatte in kurzer Zeit zahlreiche Inseln im Südchinesischen Meer, große Teile der malaiischen Halbinsel einschließlich der als uneinnehmbar geltenden britischen Festung Singapur erobert, war dann von den Amerikanern und den mit ihnen verbündeten Briten Insel für Insel zurückgedrängt worden, bis die Amerikaner schließlich mit dem Abwurf zweier Atombomben auf die Städte Hiroshima und Nagasaki das Land zur bedingungslosen Kapitulation gezwungen hatten.
    In dem Roman, so las ich mit wachsender Erregung weiter, wurden die Nachwirren des Krieges im zerbombten und von amerikanischen Truppen besetzten Japan geschildert, die schrecklichen Verwüstungen in den beiden von den Atombomben zerstörten Städten und die massiven Einflüsse amerikanischer Kultur auf das besiegte und völlig machtlose Land. Schwarzmarkt, sich prostituierende japanische Frauen, die den Siegern gegen Zigaretten und Seidenstrümpfe gefällig waren, kurz: der Zerfall einer alten Kultur, die einer stärkeren unterlegen war.
    Intellektuelle Kreise, so las ich, sind über ein derartiges Machwerk entsetzt und sprechen einem ›Trivialschriftsteller‹ das Recht ab, aus reiner Sensationslust und Habgier die Seele einer über zweitausend Jahre alten Kultur der Lächerlichkeit preiszugeben. Tanabe habe bereits einige Morddrohungen aus reaktionären Kreisen erhalten, die sich auf den Geist des Bushido beriefen und diesen Schandfleck

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