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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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und – natürlich ohne Trinkgeld, das in Japan tabu ist – wieder abgezogen war, erfrischte ich mich unter der Dusche, schlüpfte dann in den in Hotels zum festen Inventar gehörenden Baumwoll-Morgenmantel – yukata genannt –, legte mich aufs Bett und stellte den Wecker. Obwohl ich im Flugzeug geschlafen hatte, war ich noch müde und wollte fit sein, wenn mich in zwei Stunden Herr Tanabe in der Hotel-Lobby aufsuchte.
    ***
     
    Wir hatten uns in der Hotelbar verabredet. Ich war eine Viertelstunde vor dem vereinbarten Zeitpunkt dort eingetroffen und hatte mir ein Asahi-Bier bestellt. Als Tanabe den Raum betrat, erkannte ich ihn sofort von dem Bild, das die ›Münchner Neueste Nachrichten‹ mit der Buchkritik abgedruckt hatten. Ein schlanker Mann um die fünfzig mit vollem, korrekt gescheiteltem, schwarzem Haar, vielleicht einen Meter siebzig groß und leicht gebeugt gehend, bekleidet mit einem korrekten, dunkelblauen Straßenanzug, weißem Hemd und gedeckter Krawatte – der Uniform des japanischen Mittelstands. Ich hatte mich dem angepasst und trug ebenfalls Anzug und Krawatte.
    Ich erhob mich und ging ihm entgegen. »Tanabe-san desu-ka? Watashi-wa Bernd Lukas desu«, brillierte ich mit meinen Japanischkenntnissen, verbeugte mich und präsentierte dann meine Visitenkarte, natürlich so, wie es sich gehört, indem ich ihm die Karte mit beiden Händen mit Daumen und Zeigefinger hinhielt. Dass er darauf einigermaßen verblüfft mit einem längeren japanischen Wortschwall antwortete, von dem ich nur den rituellen ersten Satz verstand, hatte ich mir selbst zuzuschreiben, aber immerhin war das Eis gebrochen. »Nein, tut mir leid, Tanabe-san, ich beherrsche Ihre Sprache nicht und würde unser Gespräch gern in Englisch oder Deutsch fortsetzen«, erwiderte ich, worauf er lächelnd ins Englische wechselte und mich, höflich wie Japaner nun einmal sind, zu meinem ausgezeichneten Japanisch beglückwünschte. Sein Englisch war fließend und hatte einen ausgeprägten amerikanischen Akzent, Mittlerer Westen, vermutete ich.
    Nachdem ich ihn zu einem Bier eingeladen und wir die üblichen Höflichkeitsfloskeln ausgetauscht hatten, kam ich zur Sache. »Das Buch, das Sie geschrieben haben, ›Hiroshima‹, interessiert mich. Ich bin gelegentlich als Literaturagent tätig und würde gern versuchen, Ihr Buch bei einem deutschen Verlag unterzubringen. Ich denke, ich könnte dafür einen hübschen Vorschuss erzielen, und habe in dieser Richtung auch schon vorgefühlt.« Das entsprach zwar nicht der Wahrheit, darauf kam es jetzt allerdings nicht an.
    »Oh, das ehrt mich, Herr Lukas«, lächelte Tanabe. »Mich hat es selbst überrascht, dass meine Arbeit hier so großen Anklang gefunden hat. Der Verlag hat bereits die dritte Auflage in Auftrag gegeben, das ist mehr, als wir uns je erwartet haben.«
    »Aber Ihre anderen Bücher sind doch auch erfolgreich gewesen. Zwar sind sie nicht ins Deutsche übersetzt worden, aber in den« – beinahe hätte ich USA gesagt –, »in Amerika und Britannia waren sie doch alle recht erfolgreich. Ich glaube, ›Clouds over Mars‹ ist sogar für einen Hugo nominiert worden …«
    Tanabe starrte mich an, seine Augen hatten sich geweitet. War ich in ein Fettnäpfchen getreten? Ich verstummte, wartete auf eine Reaktion.
    »Andere Bücher, sagen Sie? Da müssen Sie mich mit jemand anderem verwechseln! ›Hiroshima‹ ist mein erstes Buch. Ich habe noch nie …« Jetzt wurden seine Augen hinter der randlosen Brille noch größer. »Sind Sie …« Er griff mit der Hand nach der Bartheke, musste sich festhalten.
    Ich hatte das Gefühl, dass ihm schwindelte, und griff nach seiner Hand. »Herr Tanabe, was ist denn? Ist Ihnen nicht gut?«
    Er schluckte, fixierte mich, rang um Fassung. »Woher kommen Sie?«, brach es schließlich aus ihm heraus. »Sind Sie …« Wieder verstummte er, als habe er Angst, seinen Verdacht in Worte zu kleiden. Seine Finger zuckten, er griff sich an die Brille, schob sie sich zurecht, nestelte an seinem Krawattenknoten. Der Barmann war jetzt auf uns aufmerksam geworden und kam herüber. Er sagte etwas mir Unverständliches, aber Tanabe wehrte mit eine fast schroffen Handbewegung ab. Dann wandte er sich wieder mir zu. Offenbar hatte er sich wieder gefangen. »Mr. Lukas, könnte es sein, dass wir beide Ähnliches erlebt haben?«, fragte er und sah mir dabei gerade in die Augen.
    Ich nickte knapp und sah, wie er aufatmete. »Ich denke, wir sollten uns setzen, vielleicht in einem

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