Nebenweit (German Edition)
und hatte deshalb auch keine große Mühe, ein paar Zeitungen und Magazine zu finden, die mir Arbeit gaben. Nach einer Weile bekam ich auch Aufträge von einem Verlag, der amerikanische und englische Belletristik verlegte. Davon habe ich die letzten drei Jahre ganz ordentlich gelebt und konnte mir sogar eine kleine Stadtwohnung kaufen.
Natürlich wollte ich in meine eigene Welt zurück, obwohl das Leben hier gar nicht übel ist und ich auch keine besonderen Bindungen hinterlassen habe, aber je länger ich daran herum grübelte, umso klarer wurde mir, dass das ziemlich aussichtslos ist. Dann kam ich auf die Idee, es auch hier mit dem Schreiben zu probieren. Thema hatte ich schnell eines, noch dazu eines, bei dem ich meine Fantasie nicht übermäßig strapazieren musste. Schließlich ist das, was ich schreibe, ja alles wirklich geschehen.« Er blickte auf.
Ich hatte inzwischen meine Schale geleert und nahm wieder einen Schluck Bier. Die Bedienung kam an den Tisch und schenkte uns beiden nach. Ich erinnerte mich, dass das in Japan üblich ist. Bier wird so lange nachgeschenkt, bis der Gast die Hand über sein Glas legt.
Und wenn keine Bedienung zugegen ist, schenkt man sich gegenseitig ein.
»Haben Sie Philip K. Dicks ›Das Orakel vom Berge‹ gelesen?«, fragte ich ihn und fügte, als er nickte, hinzu: »Das ist in etwa unsere Situation.«
»Na ja, die USA haben unsere beiden Länder ja nicht besetzt«, lächelte er. »Aber dass zwei Science-Fiction-Autoren sich in einer Parallelwelt gegenübersitzen und sich darüber unterhalten, wie sie in diese Parallelwelt gekommen sind, entbehrt nicht einer gewissen Ironie, finden Sie nicht auch?«
»Ganz zu schweigen von der Frage, wie wir wieder zurückkommen«, konterte ich. »Wie sehen Sie das? Möchten Sie? Und wenn ja, haben Sie in der Hinsicht irgendwelche Schritte unternommen oder wenigstens Erkenntnisse gewonnen, wie das anzustellen wäre? Dass Sie schon drei Jahre in diesem Zustand leben und sich offenbar auch ganz gut hier eingerichtet haben, lässt mich da nicht sehr hoffen.«
Tanabe nickte bedächtig. Er schien mir überhaupt ein recht bedächtiger Mensch zu sein, auch wenn ich von Japanern ohnehin keine äußerlich erkennbaren Gemütsregungen erwartete. »Ich weiß nicht, wie es Ihnen ergangen ist«, begann er dann, »ich meine, in den ersten Tagen, als Ihnen klar wurde, was da mit Ihnen passiert ist. Ich war zuerst wie gelähmt. Ich hatte ja im Gegensatz zu Ihnen feststellen müssen, dass es mich hier nicht gibt, musste also zuallererst sehen, wie ich mich am Leben erhalten konnte, ohne Geld, ohne gültige Ausweispapiere – und das in einem Staat, der Züge eines Polizeistaats aufweist, ganz im Gegensatz zu ›meinem‹ insoweit doch wesentlich liberaleren Japan.
Zum Glück hatte ich eine teure Uhr, die ich ohne große Mühe zu Geld machen konnte. Die Sache mit den Papieren war schon schwieriger. Ich habe immer ein sehr korrektes, fast schon spießiges Leben geführt, und so dauerte es eine Weile, bis ich darauf kam, mich in der Unterwelt umzusehen. Ich hatte da ziemlich abenteuerliche Vorstellungen von den Yakuza, aber schließlich habe ich mich überwunden und mir sozusagen eine Identität gekauft, mit Pass, Personalausweis, Sozialversicherung und allem, was da eben dazugehört. Als ich mir schließlich ein Bankkonto eingerichtet hatte, war von meiner Rolex nicht mehr viel übrig. Später, nachdem ich wieder einigermaßen zu Geld gekommen war, habe ich mir die Uhr dann vom Pfandleiher zurückgeholt. Ziemlich unlogisch, werden Sie sagen, aber ich hatte sie mir gekauft, als das erste meiner Bücher auf die Bestsellerliste gekommen und auch eine Weile dort geblieben war. ›Das Tor zu den Sternen‹ war das, vielleicht kennen Sie es.« Sein erwartungsvoller Blick verriet, dass er wie die meisten meiner Kollegen, mich eingeschlossen, nicht ganz frei von einer gewissen Eitelkeit war.
Ich nickte abwesend und merkte plötzlich, dass ich müde geworden war. Die neun Stunden Zeitunterschied und der lange Flug forderten ihren Tribut. Und da ständig nachgeschenkt worden war, hatte ich auch keine Ahnung, wie viel Alkohol ich in den letzten Stunden zu mir genommen hatte.
»Ja, das habe ich gelesen, ich erinnere mich noch ganz genau an die Episode mit dem Sprungtor der Aliens, das man da im Jupiterorbit gefunden hat«, untermauerte ich mein Lob. »Aber seien Sie mir nicht böse, Herr Tanabe, ich werde plötzlich müde, der Jetlag, Sie wissen schon. Wie wäre es,
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