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Nebenweit (German Edition)

Nebenweit (German Edition)

Titel: Nebenweit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Zwack
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verbracht.
    Sicher, alle vier Wochen hielt ich mich ein oder zwei Tage zur Berichterstattung in Luteta auf, aber da kam ich mir immer öfter wie ein Besucher vor und hatte manchmal Mühe, mit den Details des Alltags, tippte unwillkürlich an mein Mobi, wenn ich mit jemandem reden wollte, und vergaß, dass wir auf diese Errungenschaft wohl noch lange würden verzichten müssen. Ein Mobi konnte man zwar mühelos mitnehmen, aber das hieß noch lange nicht, dass es auch ein Netz gab. Und größere Gegenstände in den ›Rutsch‹ mitzunehmen …
    Und dass uns die Tradis bei diesem Mortimer zuvorgekommen waren, war wirklich schlimm. Schließlich war der Mann ganz klar im Kopf und konnte sich auch vernünftig ausdrücken. Er hätte bloß dem richtigen Journalisten in die Hände zu fallen brauchen, dann hätte das eine Sensation gegeben. Wir würden alle Hebel in Bewegung setzen, um ihn in unsere Obhut zu bekommen! Sobald er einmal in einem Krankenzimmer im zweiten Stock unserer Klinik im geschlossenen Teil lag und von unseren Leuten behandelt wurde, würde es höchstens zwei oder drei Wochen dauern, bis er selbst glaubte, dass die Erinnerungen an seine Welt, an den Krieg und seine Zeit im besetzten Deutschland alles Teil seiner Amnesie waren. Wenn wir ihn lange genug behandelten, würden wir ihn vielleicht eines Tages sogar wieder in die Freiheit entlassen können.
    Die Rehaklinik, deren Chef ich war, diente als ideale Tarnung für unsere Aktivitäten in diesem Sektor und war zu allem Überfluss neben vielen anderen weniger vordergründigen Aktivitäten auch noch eine willkommene Geldquelle, dachte ich nicht ohne gewissen Stolz auf den Beitrag, den ich selbst auf diese Weise unserer Sache leisten konnte.
    Alu Elax’ Ideen hatten unsere Welt verändert, daran gab es keinen Zweifel. Zuerst die Schule, aus der die ersten Späher in die Andere Welt aufgebrochen waren, dann feste Stützpunkte dort – also ›hier‹, Stützpunkte mit dem Ziel, die Anderen auszuforschen, ihre Künste zu lernen und sie dem eigenen Volk zunutze zu machen. Schließlich, etwa zwanzig Jahre nach dem ersten in den Annalen der Druiden erfassten ›Rutsch‹, also um das Jahr 1810 nach der Zeitrechnung der Anderen, war die erste Schule in der Anderwelt gegründet worden und gut hundert Jahre später war man darangegangen, kleine Firmen und hauptsächlich Krankenhäuser zu gründen, wo wir, ohne dass es besonderer Tarnung bedurfte, unserer Tätigkeit nachgehen konnten.
    Die Vorstellung, welche gewaltigen Fortschritte unser Volk in den reichlich zweihundert Jahren seit den ersten Kontakten gemacht hatte, erfüllte mich mit Stolz und einem Gefühl tiefer Dankbarkeit für Titanen wie Mantrax, die das alles als richtig erkannt und gegen erhebliche Widerstände der Clans durchgesetzt hatten. Heute zweifelten nur noch die völlig verbohrten ›Eine Welt‹-Anhänger, die ›Tradis‹, wie man sie allgemein nannte, an der Richtigkeit dieser Entscheidungen und daran, dass es ihnen zu verdanken war, dass sich die Lebensumstände unseres Volkes erheblich verbessert hatten, dass es heute kaum mehr Kinder gab, die nicht lesen und schreiben konnten, und dass wir über Ärzte und Medikamente verfügten, die uns eine Lebensdauer ermöglichten, die sich kaum mehr von der der Anderen unterschied.
    Dafür quälte uns die Frage, wie lange wir diese Geheimhaltung noch würden aufrechterhalten können, ob sie sinnvoll war oder wir uns einfach offenbaren und darauf hoffen sollten, dass die Anderen für uns Verständnis aufbrachten. Wenn alle Menschen wie Bernd Lukas wären, überlegte ich, wäre die Gefahr vermutlich gering, aber Lukas war ein weit gereister, weltläufiger Mann, zudem einer, der sich viel mit Spekulationen befasste und allein schon deswegen für ungewöhnliche Gedanken und Situationen empfänglich war.
    Nach der für mein Amt geltenden Doktrin musste ich ihn isolieren, hatte aber nicht die leiseste Ahnung, wie ich das anstellen sollte. Im Augenblick wusste ich nicht einmal, wo er sich aufhielt, und wenn ich es gewusst hätte, hätte das auch nichts genutzt, denn er hatte sich gründlich abgesichert!
    Und die Tradis durften unter keinen Umständen erfahren, dass es da einen Menschen in einer Anderwelt gab, dem ich mich offenbart hatte. Das hatte ich bis jetzt sogar meinen Kollegen in der Regierung verschwiegen.
        
     
     

Bernd Lukas
   
25
     
    Vogelgezwitscher weckte mich. Ich hatte keine Ahnung, wo ich mich befand, und ich war von völliger

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