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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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besonders interessierte, war der Koffer, den sie bei sich trug. Es bedurfte keiner großen Phantasie, sich auszumalen, was sich darin befand. Warum tat sie das? Warum hatte sie sich mit diesem zwielichtigen von Stetten zusammengetan? Und wie um alles in der Welt war es ihr gelungen, Dr. Feldmann auszutricksen? Die Frau war ihm ein Rätsel. Der dunkelblaue Polo fuhr ein kurzes Stück über die B 4, dann bog er links in die Goethestraße ab, eine der vornehmsten Wohngegenden der Stadt. Jetzt hieß es vorsichtig sein. Pechstein fuhr weiter geradeaus, bog ein paar Straßen später ab und gelangte über Umwege zurück zum Haus des Rechtsanwalts. Etwa dreihundert Meter entfernt stellte er den Wagen ab, schaltete den Motor aus und wartete. Hannah Peters war nicht mehr zu sehen. Vermutlich war sie bereits im Inneren des Hauses verschwunden.
    Pechstein blickte auf die Uhr. Kurz nach zehn. Er durfte jetzt keine Zeit verlieren. Nach seiner kleinen schwarzen Notebooktasche greifend, verließ er seinen Wagen und lief hinüber zum nahe gelegenen Gehölz. Der Buchenwald rückte an einer Stelle bis auf wenige Meter an von Stettens Haus heran. Ideale Voraussetzungen für eine Observation.
    Der Ex-Kommissar verließ den Weg und ging querfeldein, bis er sein Ziel erreicht hatte. Hier, durch Gestrüpp und Dickicht vor unbefugten Blicken verborgen, stand eine alte, wettergegerbte Waldarbeiterhütte, die Pechstein vor einiger Zeit gekauft und für seine Zwecke umfunktioniert hatte. Er hatte das Schloss ausgetauscht, Ritzen und Spalten ausgebessert und die Fenster von innen geschwärzt. Niemand sollte wissen, was er hier trieb.
    Pechstein steckte den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür. Der Innenraum roch nach Teer und Bitumen. Er trat ein, machte hinter sich wieder zu, stellte seine kleine Tasche auf einen Tisch und öffnete das Südfenster. Ein Schwall frischer Frühlingsluft kam herein. Im Innern des Raumes stand eine seltsame Apparatur, die lange Schatten auf den Boden warf.
    Ein hölzernes Stativ, auf dessen Spitze etwas steckte, das wie eine Mischung aus Richtmikrofon und Laserkanone aussah. Eine hochmoderne elektronische Abhöranlage, die die empfangenen Signale auf das kleine Notebook übertrug, das er bei sich führte. Der Signalgeber war auf die gegenüberliegende Hausfront gerichtet. Hier befand sich ein schmales Fenster, direkt über dem Erdboden. Er vermutete, dass von Stetten hier seinen Arbeitsraum eingerichtet hatte. Das Abhörgerät sendete einen hoch gebündelten Strahl ultraviolettes Licht auf die Glasscheibe, die den Strahl reflektierte und zum Empfangsgerät zurücksendete. Wurde das Glas durch Schallwellen, wie es bei gesprochenen Worten, Musik oder anderen Geräuschen der Fall war, in Schwingung versetzt, konnte der Empfänger die Schwingungen registrieren und entschlüsseln. Eine ebenso einfache wie unsichtbare Form des Abhörens. Ludwig Pechstein prüfte den Sitz des UV-Lasers und verband diesen dann mit seinem Notebook. Dann schaltete er ein. Ein summendes Geräusch erklang, während der Laser hochfuhr und sich langsam auf Betriebstemperatur brachte.
     
     
     
48
     
    Hannah wurde am unteren Ende der Treppenstufen von Michael, Cynthia und Karl erwartet. Das schummerige Licht beleuchtete die drei von hinten, so dass sie ihre Gesichter nur undeutlich erkennen konnte. Hannah nahm die letzten Stufen und ging auf sie zu. Sie wollte gerade ansetzen, vom Erfolg ihrer Mission zu berichten, als sie verstummte. Irgendetwas stimmte nicht.
    Ihr Blick wurde in den hinteren Teil des Raumes gelenkt. Dort hinten, an einem der Bücherregale, sah sie den Umriss einer weiteren Person, einem Mann. Sein Gesicht war in tiefe Schatten gelegt.
    Instinktiv drückte sie den Koffer vor ihre Brust. »Wer ist das?«
    »Ein Gast«, sagte Michael, der hinter ihr stand und seine Hand leicht auf ihre Schulter gelegt hatte. »Komm.« Hannah rührte sich keinen Zentimeter.
    »Kein Grund, alarmiert zu sein«, sagte er, als er an ihr vorbei auf den Fremden zuging. »Es ist ein alter Freund.« Mit ihren Augen versuchte sie die Dunkelheit zu durchdringen. Das karierte Hemd und die verwaschene Jeans kamen ihr irgendwie bekannt vor.
    Der Fremde trat aus dem Schatten und kam langsam zu ihnen herüber.
    »Hallo Hannah.«
    »John.«
    Ein Lichtstrahl traf sein Gesicht und enthüllte ein entschuldigendes Lächeln. »Ich bin wie ein falscher Fünfziger, der immer wieder auftaucht.« Er zuckte die Schultern. »Ich weiß, ich bin der letzte Mensch,

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