Nebra
sprachen eine deutliche Sprache. Mit einem Blick in den Himmel sagte er: »Komisches Wetter, finden Sie nicht? Hätten Sie gedacht, dass es Ende April schon so warm werden kann? Also ich nicht. Nicht nach all der Kälte und dem Schnee. Und jetzt noch der Nebel... das versteh einer.«
Hannah fragte: »Gibt es was Neues von Bartels?« Er schüttelte den Kopf. »Nichts. Nicht den kleinsten Anhaltspunkt. Man stelle sich das vor: Eine Hundertschaft Polizisten durchkämmt die ganze Gegend und findet nichts. Fast könnte man glauben, Bartels und die Täter hätten sich in Luft aufgelöst. Und Sie? Was machen Sie hier?« Er spähte an Hannah vorbei ins Auto. »Was ist denn das für ein Koffer?« »Der?« Hannah griff ins Auto und holte ihn heraus. »Mein privater Werttransportkoffer. Ich dachte, sicher ist sicher.« »Und was transportieren Sie damit, wenn ich fragen darf?« Hannah hätte jetzt lange Erklärungen abgeben können, doch sie war schon zu weit gegangen. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Sie gab den Zahlencode ein, den sie von Stromberg erhalten hatte, und ließ das Sicherheitsschloss aufschnappen. Als sie den Deckel hob, breitete sich ungläubiges Staunen auf Dr. Feldmanns Gesicht aus. »Ich verstehe nicht...«
»Die Kopie für das Smithsonian. Bartels' letzte Arbeit. Ich dachte, ich nutze die Zeit und schicke sie heute noch mit FedEx nach Washington.«
Feldmann runzelte die Stirn. »Ich dachte, er wäre nicht mehr fertig geworden. Wieso sagt mir denn niemand was?« Feldmann griff in die Tasche seines Jacketts und nahm zwei Handschuhe heraus. Prüfend hob er die Scheibe heraus und betrachtete sie von allen Seiten. Hannah spürte, wie ihr der Schweiß aus allen Poren trat. Würde er das Original vom Duplikat unterscheiden können? Würde er bemerken, dass er die echte Himmelsscheibe in den Händen hielt? Hannahs Herz raste.
Minutenlang herrschte Schweigen. Der Landesarchäologe betrachtete das Artefakt aus jedem erdenklichen Blickwinkel. Schließlich legte er es behutsam zurück in den Koffer. »Unfassbar«, sagte er, und ein Lächeln stahl sich auf sein Gesicht. »Unsere Duplikate werden tatsächlich immer besser. Was für eine hervorragende Arbeit. Wirklich ein Meisterstück. Für einen Moment lang habe ich geglaubt, es wäre die echte Scheibe.« Er klappte den Deckel des Koffers zu und reichte ihn Hannah. »Wenn Sie in den nächsten Tagen mal Zeit haben, würde ich mich freuen, wenn Sie mich besuchten. Ich bin sehr daran interessiert, zu erfahren, was Ihre Recherchen ergeben haben.« Er zog einen Timer aus seiner Jackentasche und warf einen Blick darauf.
»Würde Ihnen übermorgen, am Freitag, der zweite Mai, passen? So gegen zehn?«
»Ob ...? Aber natürlich.«
»Prima. Dann noch einen angenehmen Tag. Ach ja, und eine schöne Walpurgisnacht.« Feldmann hob die Hand zum Gruß, machte auf dem Absatz kehrt und ging zurück zum Hauptgebäude.
Hannah setzte sich hinters Lenkrad und startete den Motor. Die feinen Vibrationen des Motors übertrugen sich durch das Sitzpolster auf ihren Rücken. Ihre Hände hielten das Lenkrad umklammert, als handele es sich um die Reling eines sinkenden Schiffes. Als sie aufs Gaspedal trat, spürte sie, dass sie am ganzen Leib zitterte.
47
Das Handy klingelte. Ludwig Pechstein blickte auf das Display und verzog den Mund zu einem grimmigen Lächeln. Schon wieder Ida. Sie war wirklich hartnäckig, das musste man ihr lassen. Er hatte jedoch nicht vor, mit ihr zu sprechen. Noch nicht. Vermutlich brauchte sie Hilfe, steckte irgendwo in ihren Ermittlungen fest. Nun, das war vorauszusehen. Sie hatten es hier mit einem raffinierten Gegner zu tun, vermutlich dem raffiniertesten ihrer Karriere. Einem Gegner, der sich perfekt auf das Spiel der Täuschung verstand. Ida sollte seine Hilfe bekommen, aber nicht bruchstückhaft und unvollständig. Pechsteins Plan war, ihr den gesamten Fall zu übergeben, fix und fertig wie ein gelöstes Puzzle, mitsamt den Tätern, ihren Motiven, den Beweisen und einem rosa Schleifchen obendrauf. Das war er ihr schuldig.
Vorsichtig nahm er den Fuß vom Gas. Hannah Peters hatte den Blinker gesetzt und verließ die B 6 Richtung Bad Harzburg. Zwischen seinem und ihrem Fahrzeug fuhren drei Autos, gerade genug, um keinen Verdacht aufkommen zu lassen. Die Archäologin war vermutlich noch nicht mal auf den Gedanken gekommen, verfolgt zu werden, aber sicher war sicher.
Pechstein observierte sie, seit sie das Museum in Halle verlassen hatte. Was ihn
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