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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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den du zu sehen wünschst, aber glaube mir, für mich ist das auch unangenehm. Tut mir leid, wenn ich dich schon wieder in Verlegenheit bringe, aber ich musste dich einfach wiedersehen.«
    Hannahs Gesicht verfinsterte sich. Sie versuchte sich zu erinnern, an welchem Punkt sie ihm gegenüber unklar gewesen war. Ihr fiel nichts ein. Hatte sie ihm nicht eindeutig zu verstehen gegeben, dass sie keinen weiteren Kontakt wünschte? Dass sie diese Sache alleine durchziehen wollte? Hatte sie sich missverständlich ausgedrückt, oder wollte er es einfach nicht verstehen? Plötzlich kam ihr eine beunruhigende Idee. Ihre Gedanken setzten sich in Bewegung wie eine Kugel, die man auf eine schiefe Ebene legte. Unaufhaltsam und immer schneller werdend.
    Vielleicht hatte Johns Erscheinen gar nicht unbedingt etwas mit ihr zu tun. Namen schwirrten ihr im Kopf herum. Stromberg, John, Michael. Eins führte zum anderen. Eine Verkettung von Kausalitäten, die mit der einzig logischen Erklärung enden musste. Ihre feuchten Hände glitten über den Koffer. »Die Scheibe«, flüsterte sie. »Das ist es, worum es euch geht. Wie konnte ich nur so dumm sein.«
    John breitete die Hände aus. »Bitte zieh jetzt keine voreiligen Schlüsse. Es ist nicht so, wie es aussieht.« Doch Hannah hörte schon gar nicht mehr zu. Mit dem festen Bestreben, dieses verdammte Haus so schnell wie möglich wieder zu verlassen, ging sie ein paar Schritte zurück. Warum hatte sie es nur so weit kommen lassen? Michael, der sie zu beruhigen versuchte, streckte ihr die Hand entgegen. Hannah packte sie und schleuderte sie zurück. »Fass mich nicht an«, sagte sie mit kalter Stimme. Wenn Blicke töten könnten, wäre in diesem Moment nicht viel mehr als ein Häufchen Asche von ihm übrig geblieben. Doch leider war sie keine Göttin, und Michael blieb ein schnelles Ende erspart. »Strombergs Handlanger«, sagte sie mit Verachtung in der Stimme und blickte in die Runde. »Einer wie der andere. Ich habe endgültig genug von dieser Scharade.«

»Bitte beruhige dich«, sagte Michael. Sein Gesicht war von Sorge erfüllt. »Hör dir erst an, was wir zu sagen haben. Ich bin sicher, es handelt sich nur um ein Missverständnis.« »Ein Missverständnis? Dass ich nicht lache. Ich hoffe, du hast eine gute Erklärung für ihn.« Immer noch den Koffer vor die Brust gepresst, funkelte sie giftig zu John hinüber. Michael hob beschwichtigend die Hände. »Zuerst mal: Cynthia und Karl haben damit nichts zu tun«, sagte er. »Sie waren genauso überrascht wie du, als John vor der Tür stand. Ich war der Einzige, der von seinem Kommen wusste. Wenn du also deine Wut an irgendjemandem auslassen willst, dann an mir.«
    »Und an mir«, sagte John. »Zu meiner Verteidigung kann ich nur vorbringen, dass Stromberg nichts mit der Sache zu tun hat. Er hat mir sogar abgeraten, dir zu folgen. Er sagte, das könne nur in einer Katastrophe enden.« »Womit er absolut recht hat«, sagte Hannah. »Ich war ebenso verblüfft wie du, als er einfach so vor meiner Tür stand«, sagte Michael mit ruhiger Stimme. »Aber nach einigem Nachdenken und nachdem wir eine Weile miteinander geredet haben, kam ich zu dem Schluss, dass es vielleicht doch ganz gut wäre, wenn er dabei ist. Wenn das, was wir vorhaben, funktioniert, dann könnte er für unsere kleine Gruppe äußerst nützlich sein. Seine Fähigkeit, astronomische Rätsel zu knacken, hat uns schon einmal geholfen, erinnerst du dich?«
    Hannah dachte einen Moment lang nach, dann schüttelte sie den Kopf. »Ich kenne John lange genug. Lange genug, um zu wissen, dass das nur die halbe Wahrheit ist. Karten auf den Tisch: Warum bist du wirklich hier?«
    Es gab eine kurze Pause, ehe er antwortete.
    »Die Antwort könnte ein bisschen peinlich sein. Besonders hier, vor allen Anwesenden«, fügte er mit einem gequälten Lächeln hinzu. Wieder entstand eine Pause. Täuschte Hannah sich, oder musste er Mut tanken?
    »Na gut, was soll's?«, sagte er. »Ich bin hier, weil ich dich immer noch liebe. Ich sorge mich um dich, Hannah. Ich glaube, du und die anderen, ihr begebt euch in große Gefahr. Größer, als Stromberg uns glauben machen wollte. Du hattest recht, Hannah: Die Risiken sind wirklich nicht kalkulierbar. Wenn es nur mich betreffen würde, könnte ich das ertragen, aber es betrifft euch alle und vor allem dich. Ich habe dich schon einmal in eine solche Situation gebracht - damals in der Wüste -, und ich würde es mir nie verzeihen, wenn das noch einmal

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