Nebra
lange, bis wir gefunden haben, was wir suchen. Danach können wir über alles reden.« »Das halte ich für eine sehr gute Idee«, sagte Cynthia. »Männer neigen viel zu oft dazu, Privates mit Geschäftlichem zu vermischen.« Sie warf Michael einen kurzen, strafenden Blick zu, dann deutete sie auf den Koffer. »Spann uns nicht länger auf die Folter, Hannah. Zeig uns, was du mitgebracht hast. Hast du sie bekommen?«
Statt einer Antwort stellte Hannah den Koffer auf den Tisch und ließ die Schlösser aufschnappen. Die Gruppe hielt den Atem an.
49
Ludwig Pechstein schaltete die Abhöreinrichtung ab. Das Gespräch, das da im Keller geführt worden war und das sich nun auf der Festplatte seines Notebooks befand, hatte so viele Verdachtsmomente bestätigt, dass es für ein Dutzend Verhaftungen gereicht hätte.
Er nahm den Kopfhörer ab und schüttelte im Stillen den Kopf. Jetzt war alles klar. Es fühlte sich an, als wäre eine tonnenschwere Last von seinen Schultern genommen worden. Es war genauso, wie er vermutet hatte. Was für eine tragische Verkettung der Umstände. Einst hatte er sich noch für die Belange der drei Jugendlichen eingesetzt, hatte für sie gefochten und ihre Interessen gegenüber seinen Vorgesetzten vertreten, nur um jetzt herauszufinden, dass sie trotz aller Bemühungen auf die schiefe Bahn geraten waren. Sie hatten sich eines Kapitalverbrechens schuldig gemacht, das war unbestreitbar. Sie hatten die Himmelsscheibe in ihrem Besitz und waren drauf und dran, dieses wertvolle Kulturgut für irgendein dubioses Experiment zu missbrauchen. Wie er es verstanden hatte, ging es darum, den verborgenen Tempel ausfindig zu machen und sich die dort lagernden Schätze unter den Nagel zu reißen. Natürlich vorbei an den zuständigen Behörden und dem rechtmäßigen Besitzer, dem Land Sachsen-Anhalt. Wie es schien, ging es um Kunstraub im großen Stil. Hinter alldem steckte Norman Stromberg, da war Pechstein sich sicher. Doch an ihn ranzukommen, würde schwer werden. Von Stetten jedoch hatte er im Sack. Dass der Anwalt seine ehemaligen Leidensgenossen mit in diese Sache reinzog, erfüllte Pechstein mit Wut und Abscheu. Cynthia Rode war eben erst wieder auf freiem Fuß, und Karl Wolf hatte endlich Erfolg mit dem, was er tat. Beiden würde eine Haftstrafe endgültig den Boden unter den Füßen wegziehen. Sie waren Schachfiguren in diesem Spiel, kleine Fische. Doch sie waren aus freiem Willen zu ihm gekommen, und das würde ihnen das Genick brechen. Vermutlich würden sie es nie wieder schaffen, auf die Beine zu kommen.
Er geriet ins Grübeln. Sollte er es wirklich tun? Sollte er sie alle ans Messer liefern?
Es war eine Entscheidung, über die er lange und ausführlich nachgedacht hatte. Ja, er würde es tun. Resigniert zog er sein Handy heraus. Idas Nummer war die oberste. Alles, was er zu tun brauchte, war, den Knopf zu drücken und ihr zu sagen, wo sie zuschlagen sollte. Das Nest der Kunsträuber auszuheben, würde er ihr überlassen. Alltägliche Polizeiarbeit, die ihn nicht interessierte. Außerdem war er nicht der Typ, der sich in den Vordergrund drängelte. Und auf die traurigen Gesichter von Cynthia und Karl konnte er erst recht verzichten. Nur eines erfüllte ihn mit Genugtuung: sei-nen Verdacht in Bezug auf den windigen Anwalt bestätigt zu sehen. Ob und wie dieser Raubzug mit dem Einbruch im Museum und der Entführung auf der Achtermannshöhe in Beziehung stand, das herauszufinden, würde er Ida überlassen. Darin war sie sehr gut.
Sein Finger glitt über die Wahltaste. Er wollte sie gerade drücken, als er stutzte. Ein unangenehmer Geruch stieg ihm in die Nase. Roch es hier nicht irgendwie faulig? Irgendwie nach Stinkmorcheln. Wo hatte er diesen Gestank nur das letzte Mal gerochen? Natürlich, im Museum.
In seinem Kopf läuteten sämtliche Alarmglocken. Mit einer fließenden Handbewegung zog er seine alte Dienstpistole aus dem Köcher, eine neun Millimeter Makarov aus seiner Zeit bei der Volkspolizei. Eigentlich hätte er die Waffe ja abgeben müssen, aber er war noch nie gut im Befolgen von Anweisungen gewesen. Was standen einem nicht alles für Möglichkeiten offen, wenn man Mitglied im Schützenverein war.
Lautlos legte er das Handy auf den Tisch, hob die Pistole in Vorhalteposition und ging langsam zur Tür. Vorsichtig löste er den Balken und trat einen Schritt zur Seite. Er zählte im Geiste bis drei, hielt den Atem an und versetzte der Tür einen kleinen Tritt mit der
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