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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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eine Handvoll matschiger Pilze. »Hier, reib dich damit ein. Das überdeckt den Körpergeruch.«
    »Schnell jetzt, verschwindet.«
    »Alles Gute«, sagte sie. »Wir treffen uns wieder, wenn alles überstanden ist.« Damit nahm sie Cynthia bei der Hand und zog sie hinter sich her. Karl überlegte kurz, dann legte er die Waffe zu Boden. Mit beiden Händen rieb er sich die fauligen Pilzkulturen über den Körper. Der Gestank war so atemberaubend, dass ihm übel wurde. Er unterdrückte das Würgen und machte weiter, bis der Vorrat aufgebraucht war. Eines war sicher: Nach sich selbst roch er jetzt gewiss nicht mehr. Er hob das Schwert wieder auf und eilte in den gegenüberliegenden Tunnel. Nur ein paar Meter hinter der Öffnung blieb er stehen und kauerte sich auf den Boden.
    Der Wächter folgte der Spur der Flüchtlinge. Ihr Geruch strahlte wie ein Leuchtfeuer in der Nacht. Das war ein Glück. Seit es im Berg so warm geworden war, unterschied sich die Temperatur des Gesteins kaum noch von der lebender Wesen. Sein Wärmeempfinden, einer seiner wichtigsten Sinne, war damit verlorengegangen. Was blieb, waren sein feines Gehör und sein ausgezeichneter Geruchssinn. Mehr war auch nicht nötig, um diese armseligen Kreaturen zur Strecke zu bringen. Die Fremden rochen nach Angst - ein Geruch, den er liebte. Er drang aus jeder Pore, sickerte aus jedem Fußabdruck. Angst machte ihn wütend, schärfte seine Sinne. Angst brachte ihn zur Raserei. Flüssiges Feuer pumpte durch seine Venen. Nicht lange, und er hörte Geräusche. Er vernahm die Stimmen zweier Frauen. Unterdrücktes Flüstern. Ha! Als ob sie glaubten, sich vor ihm verstecken zu können. Er hörte ihre Schritte, er hörte, wie sie atmeten. Ihr Flüstern drang wie ein Peitschenknall in seine feinen Ohren. Merkwürdig war nur, dass er den Mann nicht hörte. Ein solches Exemplar, so groß und muskulös, müsste eigentlich viel lauter sein als die zierlichen Frauen. Vielleicht war er schon vorgelaufen, befand sich bereits weiter oben im Gang. Nun, es würde ihm nichts nützen. Er würde ihn auf jeden Fall stellen, ehe er den Ausgang erreichte. Der Wächter kam an eine Stelle, an der der Weg sich gabelte. Schnüffelnd hielt er seine Nase in den Wind. Rechts roch es nach einem frischen Beet von Pilzen. Die Fremden hingegen waren in den linken Tunnel gelaufen.
    Er wollte ihnen folgen, doch etwas hielt ihn zurück. Seine innere Stimme sagte ihm, dass etwas nicht stimmte. Er lauschte.
    Karl sah das Wesen nur wenige Meter vor sich in der Dunkelheit. In diesem Zwielicht aus glimmenden Punkten und fluoreszierenden Massen wirkte der Wächter riesig. Mit seiner geduckten Haltung und dem vorgeschobenen Kopf sah er aus wie eine riesige, leuchtende Spinne. Röchelnd war er stehen geblieben und blickte in den Tunnel, in dem Cynthia und Hannah verschwunden waren. Warum setzte er ihnen nicht nach? Karl hatte vorgehabt, ihm das Schwert zwischen die Schulterblätter zu stoßen, sobald er den Tunnel betrat, aber irgendetwas ließ das Wesen zögern. Hatte es ihn vielleicht doch gerochen? Karl schluckte seine Angst herunter und hob das Schwert. Endlich folgte der Wächter den Frauen. Erst langsam und vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend, dann etwas schneller. Der Moment, auf den Karl gewartet hatte. Er holte noch einmal tief Luft, dann rannte er dem Verfolger hinterher.
    Der Wächter fühlte, wie etwas sich von hinten näherte. Eine flüchtige Ahnung, eine minimale Kräuselung der Luftschichten, das Geräusch von hastigen Schritten und singendem Metall. Seine Instinkte ließen ihn herumfahren. Nicht schnell genug, wie sich herausstellte. Ein wütender Schrei, ein Aufblitzen von Metall, dann spürte er einen stechenden Schmerz in seiner linken Flanke. Er war getroffen.
    Er taumelte ein paar Schritte zur Seite. Wie es schien, war es nur eine Fleischwunde. Schmerzhaft zwar, aber nicht lebensgefährlich. Wenn der Angreifer geglaubt hatte, einen Todesstich gelandet zu haben, so sah er sich getäuscht. Seine Reflexe hatten dem Wächter das Leben gerettet. Mit einem gewaltigen Satz sprang er aus der Gefahrenzone, dann drehte er sich um. Er nahm den Angreifer in Augenschein. Es war der vermisste Mann. Grün leuchtend hob sich seine Silhouette vor dem Hintergrund des Ganges ab. Wie war es ihm nur gelungen, sich so schnell von hinten zu nähern? Unter normalen Umständen ein Ding der Unmöglichkeit. Doch der Angriff war lautlos und blitzschnell erfolgt, als hätte einer seiner Artgenossen ihn

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