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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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ausgeführt. Jetzt erst fiel dem Wächter der fehlende Eigengeruch des Mannes auf. Statt nach Angst und Schweiß zu riechen, roch er nach Pilzen. Nach heiligen Pilzen. Respekt! So viel Raffinesse hatte er dieser tumben Kreatur gar nicht zugetraut. Der Fremde hatte sich offensichtlich damit eingerieben, um seinen Geruch zu überdecken. Hatte er vielleicht sogar davon gegessen? Der Wächter lächelte. Das würde die Chancen zwischen ihnen etwas ausgleichen. Mit einem Knurren machte er sich sprungbereit.
    Karl hob das Schwert. Das Überraschungsmoment war dahin. Wie das Wesen geahnt haben konnte, dass er sich von hinten näherte, blieb ihm ein Rätsel. Es schien über unglaublich feine Sinne zu verfügen. Normalerweise hätte sein Gegner jetzt mit durchbohrtem Herzen am Boden liegen müssen, das Schwert bis zum Heft im Rücken steckend. Stattdessen stand es ihm jetzt gegenüber, sprungbereit und - abgesehen von einer kleinen Stichwunde - bei bester Gesundheit. Sein Überraschungsangriff war gescheitert, doch Karl spürte, dass er es mit diesem Wesen aufnehmen konnte. Seine Bewegungen waren fast so schnell wie die seines Kontrahenten. Abgesehen davon: Jeder Augenblick, den er hier kämpfend verbrachte, verschaffte seiner Geliebten einen Vorsprung. »Na, was ist?«, blaffte er das Wesen an. »Greif an, ich warte.« Als ob es ihn verstanden hätte, drückte sich der Wächter mit seinen Pranken vom Boden ab. Karl sah eine grünlich leuchtende Masse auf sich zusegeln, dann sah er lange Klauen aufblitzen. Sie leuchteten wie Messerklingen in der Dunkelheit. Blitzschnell ließ Karl sich zu Boden fallen, rollte sich ab und stand wieder auf den Beinen. Doch die Krallen hatten ihn getroffen und blutige Striemen auf seiner Schulter hinterlassen. Sein Hemd hing in Fetzen vom Leib.
    »War das etwa schon alles?«, brüllte er. »Mehr hast du nicht drauf? Komm her, dann wirst du Bekanntschaft mit meiner Klinge machen.«
    Mit einem Knurren setzte der Wächter erneut zum Angriff an. Diesmal jedoch vorsichtiger und nicht so ungestüm. Ihm schien klargeworden zu sein, dass seine plumpe Strategie angesichts von Karls ausgezeichneten Reflexen sinnlos war. Er hatte es nicht mit einer verängstigten Beute zu tun, sondern mit einem ebenbürtigen Gegner.
    Karl umfasste den Griff seines Schwertes mit leichter Hand. Die Spitze wippte erwartungsvoll auf und ab. Was für ein elegantes Metall Bronze doch war. Leicht und trotzdem hart. Warum nur hatte er immer mit Stahl gearbeitet? Er würde das ändern, sobald er wieder daheim in seiner Werkstatt war. Wenn er seine Werkstatt jemals wiedersehen würde. Der nächste Angriff war nicht so leicht zu parieren. Der Wächter wagte einen Ausfallschritt nach rechts, nur um dann sein Gewicht unerwartet auf die linke Seite zu verlagern. Karls Schwert sauste ins Leere. Seines Fehlers bewusst, riss er seinen Arm nach oben. Keine Sekunde zu früh, denn in diesem Moment zischte eine Klaue durch die Luft, nur wenige Zentimeter entfernt. Hätte sie getroffen, sie hätte ihm vermutlich die Schulter ausgekugelt. So aber lag die Flanke des Wesens für den Bruchteil einer Sekunde frei. Karl legte seine ganze Kraft in den Hieb und stieß zu. Der Stich traf eine Rippe. Knochen brachen, und Blut spritzte. Der Wächter stieß einen markerschütternden Schrei aus. Da war sie, die Chance, auf die Karl gewartet hatte. Mit einem Gefühl von Triumph wollte er noch einmal nachsetzen und vernachlässigte dabei seine Deckung. Die Pranke des Wesens traf ihn frontal vor der Brust und fegte ihn von den Beinen. Er wurde zurückgeschleudert und krachte gegen die Wand. Der Aufprall raubte ihm den Atem. Sterne flimmerten vor seinen Augen. Er spürte, wie das Schwert seiner Hand entglitt. Kopfschüttelnd versuchte er, bei Bewusstsein zu bleiben. Mit seinem vernebelten Verstand konnte er schwach erkennen, wie sich das Wesen von der Höhlenwand abdrückte, auf die gegenüberliegende Seite flog, von dort erneut absprang und geradewegs auf ihn zuflog. Ein unglaublicher Sprung. Ihm blieb gerade noch genug Zeit, das Schwert hochzureißen, als ihn die mächtigen Pranken trafen. Der Stoß war mörderisch. Es fühlte sich an, als ob alles in seinem Körper zerbrach. Zähne gruben sich in seinen Hals, quetschten das Leben aus ihm heraus. Blut und Gestank hüllten ihn ein, rangen ihn nieder und drückten ihn zu Boden. Der Wächter, so versessen darauf, ihn zu töten, stürzte sich auf ihn und rammte sich dabei das Schwert mit seinem eigenen

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