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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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ihrer Halterung genommen und würde sich nähern, doch dann bemerkte sie, dass ihre Augen sich an die Dunkelheit zu gewöhnen schienen. Mehr als das: Sie durchdrangen die Dunkelheit, machten die Nacht zum Tage. Nicht mal eine halbe Minute später, und Cynthia glaubte, dass die steinernen Wände rings um sie herum glühten. Sie trat näher und rieb mit dem Daumen darüber. Eine dünne, leuchtende Schicht blieb daran haften.
    »Lumineszierende Bakterien«, sagte Hannah. »Die Gänge sind voll davon. Normalerweise ist ihre Leuchtkraft zu schwach, um von unseren Augen bemerkt zu werden, aber der Pilz, den ich euch zu essen gegeben habe, steigert unsere Wahrneh-mungsfähigkeit. Ich bin durch Zufall auf seine Wirkung aufmerksam geworden. Michaels Bemerkung, dass sie das Zeug den Wächtern zu fressen geben, hat mich auf die Idee gebracht. Und jetzt seht euch selbst an.«
    Cynthia blickte in die Richtung, in der sie Karl vermutete, und tatsächlich: Eine schimmernde Gestalt stand vor ihr, ganz schwach, aber deutlich sichtbar. Karl und Hannah wirkten wie Geister in der Dunkelheit.
    »Wir selbst sind bereits mit einer dünnen Schicht dieser Bakterien bedeckt«, sagte Hannah. »Die Luft ist voll davon. Sie sind überall.«
    »Ich fühle aber noch etwas anderes«, sagte Karl. »Vorhin, in der Kammer, konnte ich mich vor Müdigkeit und Schwäche kaum noch bewegen, doch jetzt ...«, er streckte seine Arme, »... verdammt, ich fühle mich fabelhaft. Was ist in dem Zeug drin?« »Vermutlich Steroide«, sagte Hannah. »Wir wissen nicht, was es sonst noch bewirkt, also vorsichtig damit.« In diesem Moment hörten sie Schritte aus der Richtung, aus der sie gerade gekommen waren. Es gab keinen Zweifel, wer das war. Und er war nicht allein. Sie alle hörten ein drohendes Knurren und seltsam rasselnde Atemlaute.
     
     
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    Verdammt!«, sagte Karl. »Weg hier!« So schnell es ging, entfernten sie sich von den näher kommenden Geräuschen - die beiden Frauen voraus, Karl hinterher. Er war der Einzige, der eine Waffe besaß. Alle liefen so leise wie möglich und gerade so schnell, dass ihre Schritte sie nicht verrieten. Der Boden unter den Füßen war dank der Wunderdroge gut zu erkennen. Wie ein Teppich aus grünen und gelben Lichtpunkten, der alle Unebenheiten markierte und verhinderte, dass sie stolperten oder gegen die teilweise mannshohen Felsbrocken liefen. Karl war in Sorge. Anfangs hatte er noch geglaubt, Hannah würde sich hier unten auskennen, doch schon bei der ersten Kreuzung wurde ihm klar, dass sie keine Ahnung hatte, wo es eigentlich hingehen sollte. Nachdem sie stehen geblieben war und überlegt hatte, deutete sie auf den Pfad zu ihrer Linken. »Die Luft hier riecht frischer, und der Weg führt leicht bergan. Sollen wir es mal versuchen, was meint ihr?«
    »Heißt das, du weißt gar nicht, wo es hier rausgeht?« In Cynthias Stimme schwang Panik mit.
    »Das habe ich nie behauptet«, zischte die Archäologin. »Ich wollte erst mal Abstand zwischen uns und unsere Verfolger bringen. Also, was ist jetzt? Nehmen wir diesen Gang oder nicht?«
    »Ja«, sagte Karl. »Lass es uns versuchen. Er ist genauso gut wie alle anderen.« Er legte Cynthia beruhigend den Arm um die Schulter. Er konnte fühlen, wie sie zitterte. »Lass gut sein«, flüsterte er. »Es wird schon alles gut werden.« In diesem Moment gellte ein wütender Schrei durch den Tunnel. Der Schamane hatte ihre Flucht entdeckt. Einen Moment lang war es still, dann hörten sie ein Knurren, gefolgt von einem Heulen. Michael hatte seinen Höllenhund von der Leine gelassen, die Jagd hatte begonnen. Karl zog das Schwert aus seinem Gürtel. Die Klinge war gut ausbalanciert und lag angenehm leicht in seiner Hand. »Lauft!«, befahl er.
    Cynthia drehte sich erschrocken um. »Was hast du vor?« »Wonach sieht das wohl aus? Ich bleibe hier und bringe dieses Vieh zur Strecke.«
    »Aber allein hast du keine Chance. Wir bleiben bei dir.« »Unsinn«, schnaubte Karl. »Ihr seid unbewaffnet und würdet mir nur im Weg stehen. Lauft den Gang weiter. Ich bleibe hier an der Abzweigung und verstecke mich in einem Seitengang. Mit etwas Glück folgt er eurer Spur, und dann falle ich ihm in den Rücken. Es ist unsere einzige Chance.« »Du bist ja wahnsinnig«, sagte Cynthia mit Verzweiflung in der Stimme. »Das kann nie und nimmer gutgehen. Hast du vergessen, wie stark diese Wesen sind?« »Ich habe eine Idee«, sagte Hannah. »Vielleicht lässt sich das Vieh ja täuschen.« Sie reichte Karl

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