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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Konzert selbst fand im Innenhof unter freiem Himmel statt. Der bewegliche Baldachin, eine Konstruktion, die Musiker und Zuhörer gleichermaßen vor den Tücken des Wetters schützen konnte, war zusammengefaltet und erlaubte einen freien Blick in den Himmel. Die Nacht war so klar, dass man die Sterne funkeln sehen konnte. Der Innenhof quoll bereits über von Menschen. Vor dem Hauptturm war eine Bühne errichtet worden, die bequem Platz für das vierzigköpfige Orchester des Nordharzer Städtebundtheaters bot. Fackeln und Wärmestrahler entlang der Innenmauern sorgten für Behaglichkeit und Atmosphäre in dem komplett bestuhlten Innenhof. Hannah bemerkte, dass sie zu den zwanzig Prozent meist jugendlicher Zuhörer gehörte, die in Jeans und Pullover gekommen waren. Der überwiegende Anteil war, dem festlichen Anlass angemessen, in Abendgarderobe erschienen. Die Damen in rauschenden Kleidern, die Herren im eleganten Smoking. Hannah schämte sich etwas, dass sie wie Aschenputtel herumlief, aber was hätte sie tun sollen? In ihrem Aufenthalt in Wernigerode war ein Konzertabend nicht vorgesehen gewesen, und für einen Einkauf war es zu spät gewesen. Der enganliegende schwarze Rollkragenpullover, die Jeans und die schwarzen Turnschuhe waren das Beste, was ihr zur Verfügung stand. Immerhin hatte sie daran gedacht, ihr Tuareg-Collier, eine Silberarbeit mit rotem Jaspis und Ebenholz, mitzunehmen. Zusammen mit einem anderen Mitbringsel aus der Sahara, ihren Ohrringen aus Silber und Lapislázuli, fühlte sie sich zwar nicht passend, aber zumindest halbwegs festlich gekleidet.
    Die Wirtin hatte nicht übertrieben. Der Andrang auf die Karten war enorm gewesen, und es hatte keine halbe Stunde gedauert, bis das Konzert ausverkauft war. Hannah bedauerte die vielen Menschen, die enttäuscht heimkehren mussten. Andererseits freute sie sich über das Privileg, zu den etwa dreihundert Zuhörern zu gehören, die an der ungewöhnlichen Veranstaltung teilnehmen durften. Sie wollte sich gerade auf die Suche nach einem geeigneten Sitzplatz begeben, als sie ein Räuspern vernahm.
    »Guten Abend«, sagte eine Männerstimme. »Wie schön, Sie wiederzusehen.«
    Hannah wandte sich der Stimme zu.
    »Der Buchhändler«, entfuhr es ihr. Und dann, nach einer kurzen Pause: »Aber nein. Sie sind ja gar kein Buchhändler. Jedenfalls nicht bei Kempowski.«
    Ein zaghaftes Lächeln huschte über das Gesicht des Mannes. »Habe ich das je behauptet?«
    Hannah musste kurz überlegen. Nein, er hatte recht. Sie war es gewesen, die ihn angesprochen hatte. »Nicht wirklich«, gestand sie ein. »Aber Sie können sich meine Überraschung vorstellen, als ich in den Laden zurückkehrte und nach Ihnen fragte.«
    »Sie haben sich nach mir erkundigt?« Der Mann hob die Augenbrauen. »Warum?«
    Hannah spürte, wie ihr das Blut ins Gesicht schoss. Sie wollte zu einer Erklärung ansetzen, doch der Fremde schien ihre Verlegenheit bemerkt zu haben und kam ihr zu Hilfe. »Ich bin tatsächlich kein Buchhändler«, sagte er. »Nur ein ganz normaler Kunde. Tut mir leid, wenn ich durch mein Auftreten den Eindruck erweckt habe, ich würde zum Personal gehören.« Hannah warf ihm einen interessierten Blick zu. Seine Kleidung war eine merkwürdige Mischung aus saloppem Sweatshirt, ausgewaschenen Jeans und teuer aussehenden Schuhen. Der Mann fing ihren Blick auf. »Und? Worauf tippen Sie?« Hannah kräuselte die Lippen. »Keine Ahnung. Freiberufler vielleicht. Grafikdesigner oder in der Werbung tätig. Es sind Ihre teuren Schuhe, die die Sache kompliziert machen.« Ein geheimnisvolles Lächeln erschien auf seinem Gesicht, dann streckte er die Hand aus. »Mein Name ist Michael. Michael von Stetten.«
    »Hannah Peters.« Seine Finger fühlten sich geschmeidig und muskulös an. Ihr gefiel seine zurückhaltende Art. »Sind Sie in Begleitung?« »Nein, und Sie?«
    »Ebenfalls solo«, sagte er. Er blickte kurz zu den Stuhlreihen hinüber, überlegte kurz, dann sagte er: »Hätten Sie Lust, wenn wir uns das Konzert gemeinsam anhören? Anschließend könnten wir noch ein Bier trinken und eine Kleinigkeit essen. Es gibt ein nettes Gasthaus, nur fünf Minuten von hier.« Hannah hatte eigentlich vorgehabt, früh zu Bett zu gehen und morgen zeitig aufzustehen. Doch es war etwas an dem Mann, das ihr gefiel. Um ehrlich zu sein, sie war neugierig, herauszufinden, ob sie mit ihrer Einschätzung, was seinen Beruf betraf, richtiggelegen hatte. »Einverstanden«, sagte sie. »Wenn Sie mir versprechen,

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