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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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bemerkte Ida, dass es ihrem Kollegen offenbar schlecht war. »Was ist los?«, fragte die Kommissarin. »Kann es sein, dass du etwas grün um die Nase bist?«
    »Möglich«, murmelte der junge Mann. »Muss wohl was Falsches gefrühstückt haben. Ich sollte morgens besser die Croissants weglassen, die liegen mir zu schwer im Magen. Vielleicht reagiere ich auch nur allergisch auf die frische Harzer Luft.« »Soll ich dir ein Bett kommen lassen? Wir könnten dich dann ins Zimmer von diesem ... wie hieß er doch gleich? ... rollen.« »Hoffmann. Günther Hoffmann.«
    »Rooming-in nennt man das, glaube ich. Du könntest die Befragung dann im Liegen vornehmen.« Sie liebte es, Steffen zu hänseln. Doch wenn er sich darüber ärgerte, so ließ er sich nichts anmerken. Er war ihren trockenen Humor schon gewohnt.
    »Es wird schon gehen«, sagte er und zwang sich ein Lächeln aufs Gesicht. »Ist ja nicht das erste Mal, dass ich mit dir fahre. Zehn Minuten, und ich bin wieder ganz der Alte.« Ida musste lächeln. Steffen war einer von den Typen, die lieber schweigend litten, als sich eine Blöße zu geben und sich zu beklagen. Wie schlecht es ihm wirklich ging, merkte man immer erst hinterher, wenn er den Wagen verließ. Sie hingegen war nach solchen Fahrten - hundert Kilometer in einer guten Stunde - immer wie euphorisiert. Das Adrenalin erhöhte die Konzentration und ließ sie aufschnappen wie ein Springmesser.
    Über Funk hatte sie gehört, dass das Team von der Spurensicherung inzwischen auf der Achtermannshöhe eingetroffen war und den Schauplatz großräumig abgesperrt hatte. Die Frau war zwar immer noch nicht gefunden worden, aber was bisher an Details zu ihr durchgesickert war, hatte Ida neugierig werden lassen.
    »So, da wären wir«, sagte sie, als sie den Eingangsbereich durchquerten. Sie zeigte der Dame am Empfang ihren Dienstausweis und nannte ihren Namen. Keine zwei Minuten später wurden sie von einem älteren grauhaarigen Mann empfangen, dessen müdes Gesicht in merkwürdigem Kontrast zu der schnellen, präzisen Art stand, mit der er sich bewegte. »Ah, die Kollegen vom LKA«, sagte er und reichte ihnen die Hand. »Freut mich, Sie kennenzulernen.« Er stellte sich als Chef der psychiatrischen Abteilung vor. »Bitte folgen Sie mir«, sagte er und wandte sich Richtung Ostflügel.
    »Unser Patient ist vor wenigen Stunden erwacht und so weit in guter Verfassung«, fuhr er fort. »Er steht zwar unter Beruhigungsmitteln, es dürfte aber kein Problem sein, ihm ein paar Fragen zu stellen. Natürlich nur, solange er sich nicht aufregt.«
    »Das kann ich leider nicht garantieren«, antwortete Ida. »Wie es scheint, handelt es sich um einen Fall von Entführung oder Kidnapping. Aber keine Sorge, wir sind solche Fälle gewohnt.«
    Er zögerte kurz, dann sagte er: »Na schön. Aber ich sage Ihnen gleich, dass Sie einen Fall wie diesen vermutlich noch nicht hatten.«
    »Was können Sie uns über seinen Zustand sagen.« »Nun, er hat Schreckliches erlebt, so viel ist klar«, erwiderte der Arzt. Er hielt Ida und Steffen eine Tür auf, über der auf einem Schild das Wort Trauma-Ambulanz zu lesen war. »Ich rede hier von tatsächlichen Erlebnissen, nicht von eingebildeten.« Er warf Ida einen prüfenden Blick zu. »Was wissen Sie über die medizinischen Hintergründe von Traumata?« »Nicht viel, fürchte ich. Nur, dass es Erlebnisse gibt, die sich dauerhaft im Gedächtnis eines Menschen einprägen.« »So ist es«, sagte der Arzt. »Erlebnisse, die mit großer Angst oder Schrecken verbunden sind, hinterlassen in bestimmten Regionen des Gehirns so etwas Wie einen Fingerabdruck. Sie brennen sich regelrecht ein und führen dazu, dass der Betroffene das Ereignis wie bei einem Horrorfilm wieder und wieder erlebt. Verantwortlich dafür sind sogenannte Stresshormone, die in lebensbedrohlichen Situationen ausgeschüttet werden. Es findet eine körperliche Veränderung statt, die sich mit neuartigen Messmethoden wie der Magnet-Enzephalographie nachweisen lässt. Diese Veränderung bleibt so lange im Gehirn, bis das Trauma aufgearbeitet und überwunden wurde. Das Sprichwort Die Zeit heilt alle Wunden trifft also nur bedingt zu.«
    »Im Protokoll war von einer Begegnung mit Hunden die Rede«, brachte Ida das Gespräch zurück auf den Punkt. Der Chefarzt blieb stehen. »Hunde? Nein, davon weiß ich nichts. Aber das ist ja auch Ihr Gebiet. Sobald Ihre Ermittlungen abgeschlossen sind, würde es mich natürlich sehr interessieren, von Ihnen zu

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