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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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hören. So, da wären wir.« Er warf Ida und Steffen einen Blick über den Rand seiner Brille zu. »Möchten Sie mit dem Patienten allein sein, oder soll ich lieber dabeibleiben?«
    »Besteht denn Gefahr, dass er handgreiflich wird?«
    »Nein. Wie gesagt, er steht unter Beruhigungsmitteln, aber manchmal ist es besser, wenn ein vertrautes Gesicht mit im Raum ist.«
    »Ich denke, wir schaffen das allein. Vielen Dank.« »Wie Sie wollen.« Er öffnete die Tür und führte sie in ein helles, lichtdurchflutetes Zimmer. Es roch nach Desinfektions und Reinigungsmitteln. Ein großzügiges Bett, das augenscheinlich frisch gemacht worden war, dominierte den Raum. Das Fenster war leicht geöffnet, und ein leiser Wind spielte mit den Vorhängen.
    Das einzig Störende an dieser Krankenhausidylle war der graugesichtige Mann mit schütterem Haar und rotgeränderten Augen, der halb aufgerichtet aus dem Bett zu ihnen herübersah. »Guten Morgen, Herr Hoffmann«, sagte der Arzt, während er ans Bett trat und einen Blick auf die Karteikarte seines Patienten warf. »Wie fühlen Sie sich denn an diesem wunderschönen Morgen?«
    »Haben Sie Neuigkeiten von meiner Frau?«, kam die Antwort. Die Stimme war kaum mehr als ein Keuchen. »Ich habe Ihnen hier jemanden mitgebracht, der das besser beantworten kann«, sagte der Chefarzt. »Das sind Kriminalhauptkommissarin Benrath und Kommissar Werner, zwei Herrschaften vom Landeskriminalamt. Ich werde Sie nur für einen kurzen Moment allein lassen. Aber keine Sorge; sollte irgendetwas sein, drücken Sie einfach den Knopf, es kommt dann sofort jemand zu Ihnen.« Mit einem Händedruck verabschiedete er sich von allen, dann zog er die Tür hinter sich zu.
    Ida wandte sich der grauen Gestalt zu. Mitgefühl überkam sie. Wenn es dem Mann, wie der Arzt behauptet hatte, jetzt schon besserging, wie schlimm musste er dann bei seiner Einlieferung ausgesehen haben?
    »Guten Tag, Herr Hoffmann«, begann sie das Gespräch. Sie bemühte sich, so viel Aufmunterung in ihre Stimme zu legen, wie sie nur konnte. »Ehe ich und mein Kollege Ihnen einige Fragen stellen, möchte ich Ihnen versichern, dass wir das Bestmögliche tun, um etwas über den Verbleib Ihrer Frau herauszufinden. Das Spurensicherungsteam ist seit heute Morgen im Einsatz und hat das ganze Gelände großräumig abgesperrt. Wenn es etwas zu finden gibt, werden sie es finden, darauf können Sie sich verlassen. Was wir benötigen, sind Informationen. Je mehr, desto besser. Selbst scheinbare Nebensächlichkeiten können sehr wichtig sein. Denken Sie bitte daran: Wir alle möchten, dass Sie Ihre Frau baldmöglichst wiedersehen.« Sie zog sich einen Stuhl heran und setzte sich neben das Bett. Dann entnahm sie ihrer Aktentasche den Bericht und blätterte ihn mit dem Finger durch. »Ich denke, den Anfang können wir uns sparen«, sagte sie. »Wie Sie auf die Achtermannshöhe gelangt sind und was Sie dort taten, kann ich alles hieraus entnehmen. Wenn Sie keine Einwände haben, kommen wir gleich zu dem Augenblick, als Sie den Caniden zum ersten Mal sahen. Woran erinnern Sie sich?«
    Hoffmann schloss die Augen und schwieg. Zuerst dachte Ida, er wäre eingeschlafen, dann aber wurde ihr bewusst, dass er offenbar versuchte, die vergangenen Ereignisse vor seinem inneren Auge auferstehen zu lassen. »Es waren zwei«, murmelte er. »Zwei«, wiederholte Ida mit sanfter Stimme. Der Mann nickte. »Einer war direkt vor uns und einer weiter links. Meine Frau hat sie zuerst entdeckt. Sie waren groß, zu groß für normale Hunde, und sie standen direkt vor dem Wald. Ihr Fell war dunkel und hatte die Farbe der Bäume. Daher haben wir sie auch erst so spät entdeckt.« »Besteht die Möglichkeit, dass es Wölfe gewesen sind?« Ida tippte auf eine Stelle im Protokoll. »Sie erwähnten das Wort Caniden. Darunter fallen, soweit ich informiert bin, neben den Hunden auch Füchse, Kojoten und Wölfe.«
    Hoffmann schüttelte den Kopf. »Zu groß, viel zu groß. Der eine maß aufgerichtet knapp zwei Meter.« »Er stellte sich auf die Hinterbeine?« Steffen zog sich ebenfalls einen Stuhl heran, auf dem er sich breitbeinig niederließ. »Wie konnten Sie seine Größe so genau bestimmen? War es nicht ziemlich dämmerig?«
    »Neben ihm war ein Zaunpfahl«, entgegnete Hoffmann. »Die Art, wie sie zur Einzäunung von Kuhweiden verwendet wird. Als Biologe lernt man, wie man bekannte Objekte zur Größenreferenz heranzieht.« Er öffnete seine Augen einen Spalt. »Sie zum Beispiel sind etwa

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