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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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Mülltonnen herumgetrieben hatte. Er beendete die Arbeit, räumte auf, trug die Flasche in sein Büro und stellte sie an ihren angestammten Platz hinten im Bücherregal. Beschwingt zog er seine Jacke an, schnappte seine Tasche und löschte das Licht. Durch den hellerleuchteten Flur schritt er Richtung Ausgang, die Melodie von Tschaikowskys Schneedecke bedeckte den Hof. Jetzt spielte das Wetter total verrückt. Eine Weile stand er so da, konnte jedoch niemanden entdecken. Langsam ging er zurück. Mit gespitzten Ohren setzte er die Reinigung des Fundstücks fort, doch nun blieb es still. Wahrscheinlich nur eine Katze, die sich da an den Mülltonnen herumgetrieben hatte. Er beendete die Arbeit, räumte auf, trug die Flasche in sein Büro und stellte sie an ihren angestammten Platz hinten im Bücherregal. Beschwingt zog er seine Jacke an, schnappte seine Tasche und löschte das Licht. Durch den hellerleuchteten Flur schritt er Richtung Ausgang, die Melodie von Tschaikowskys
    Weiße Flocken bedeckten Kopf und Schultern des Wesens. Es war groß und haarig und schien auf ihn zu warten. Bartels stolperte zurück, wollte die Tür wieder zuschlagen, doch das Ding auf der Schwelle fing mit einem Mal an, höchst lebendig zu werden. Eine Schnauze reckte sich vor, und ein tiefes Grollen ertönte. Dann machte es einen Satz und sprang ihm entgegen. Bartels glaubte, ein Güterzug habe ihn erwischt. Der Aufprall war so hart, dass es ihn nach hinten schleuderte. Er strauchelte und schlug auf den harten Fliesenboden. Ein keuchender Laut drang aus seiner Kehle. Das Wesen kam über ihn, richtete sich drohend auf und stemmte seine Vorderpfoten auf seine Brust. Das Gewicht presste ihm die Luft aus der Lunge. Bartels versuchte, seinen linken Arm zu befreien, aber das verfluchte Mistvieh schien seine Gedanken erraten zu haben. Mit einer blitzschnellen Bewegung packte es seine Schulter und drückte sie zurück auf den Boden. Messerscharfe Krallen bohrten sich in sein Fleisch und ließen ihn aufschreien. Rote Schleier vernebelten seinen Blick. Seine Augen tränten, ließen alles um ihn herum in einer Welt aus Schmerz und Angst verschwimmen. In diesem Moment trat eine zweite Kreatur ins Licht. Mindestens ebenso bösartig aussehend, überragte der Neuankömmling seinen Artgenossen beinahe um Haupteslänge. Die Krallen erzeugten beim Näherkommen ein klapperndes Geräusch auf den Fliesen. Bartels stockte der Atem. Die beiden packten ihn und schleiften ihn ins Innere des Gebäudes. Der Gestank nach vergammeltem Fleisch und Pilzen drang ihm in die Nase und ließ ihn würgen. Hustend und wimmernd wand er sich auf dem Boden, versuchte sich zu befreien, aber vergebens. In diesem Augenblick hörte er, wie jemand die Tür zuschlug. Er hob den Kopf. Eine dunkle, hochgewachsene Gestalt hatte das Labor betreten und kam gemessenen Schrittes auf ihn zu.
    Bartels verstummte. Er glaubte seinen Augen nicht zu trauen. Was er da vor sich sah, war ein Schamane. Deutlich zu erkennen an den traditionellen Fellen, dem Rehgeweih auf dem Kopf und dem Stab in der Hand. Riesenhaft sah er aus, breit wie ein Bär und so schwarz, dass er das Licht zu schlucken schien. Inmitten der elektrischen Beleuchtung, des glänzenden Fußbodens und der weißen Wände wirkte er wie ein Ur-zeitwesen, das sich in die Gegenwart verirrt hatte. »Wer seid ihr?«, hörte Bartels seine eigene Stimme. Sie klang dünn und schien von weit her zu kommen. »Was seid ihr?« Statt einer Antwort gab der Schamane ein Zeichen mit der Hand. Das größere der beiden Wesen packte Bartels am Kragen und schleifte ihn den Gang entlang. Die Bewegung war so kraftvoll und brutal, dass es ihm die Luft abschnürte. Panik stieg in ihm auf. Was waren das für Gestalten? Wohin wollten sie ihn bringen? Was hatten sie vor? Für einen kurzen Moment war er versucht zu schreien, doch er verwarf den Gedanken gleich wieder. Wer sollte ihn schon hören? Sie schleiften ihn weiter bis zum Aufzug. Der Schamane hob seine Faust und ließ sie mit einer abfälligen Bewegung gegen den Fahrstuhlknopf krachen, so als würde er die Errungenschaften der Technik aus tiefstem Herzen verabscheuen. Das Warten auf den Lift verschaffte dem Chemiker Zeit, die Eindringlinge in Augenschein zu nehmen. Je länger er sie betrachtete, desto verwirrter war er. Waren das Hunde oder Wölfe? Doch welch grausame Laune der Natur brachte solche Wölfe zustande? Was da durch die Korridore schlich, konnte man nur als eine schreckliche Entgleisung der Natur

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