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Nebra

Nebra

Titel: Nebra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Thiemeyer
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ruhig vorwarnen können.«
    »Dann wäre es doch nur der halbe Spaß gewesen.« »Ansichtssache.« Sie überlegte kurz, dann sagte sie: »Eigentlich ist es ganz gut, wenn wir beide uns mal allein unter-halten. Vielleicht bekomme ich ja so heraus, was du von der Sache hältst. Traust du Stromberg?«
    »Hundertprozentig«, sagte John, ohne für einen Moment den Fuß vom Gas zu nehmen. »Er ist mein Chef, und ich stehe voll hinter ihm.«
    »Diesen Fehler hast du schon einmal gemacht«, erwiderte Hannah gereizt. »Damals hätte er dich beinahe ins offene Messer laufen lassen. Die Risiken, denen er uns ausgesetzt hat, waren unkalkulierbar.«
    John schüttelte den Kopf. »Er hat mir gegenüber immer mit offenen Karten gespielt. Risiken gehören nun mal zu meinem Job.«
    »Dein Job ist es also, für ihn den Kopf hinzuhalten und ihm die heißen Kastanien aus dem Feuer zu holen? Himmel, John, wann fängst du endlich an nachzudenken? Er ist viel zu gerissen. Er benutzt dich, genau wie er mich benutzt. Wer weiß, was wirklich hinter seinem Interesse an der Himmelsscheibe steckt? Weder du noch ich werden jemals die ganze Wahrheit erfahren.«
    John ging für einen Moment vom Gas und warf Hannah einen kurzen Blick zu. »Das mag sein«, sagte er. »Aber wenigstens kennt er die ganze Wahrheit. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sie einsetzen würde, um Schaden damit anzurichten.« Hannah verdrehte die Augen. »Es mangelt dir offenbar an
    Phantasie.« Sie seufzte. »Du bist ein Idealist - ganz im Gegensatz zu ihm. Er wird keinen Moment zögern, dich zu opfern, wenn es seinen Plänen förderlich ist.«
    »Niemals«, sagte John entschieden. »Wenn du das glaubst, täuschst du dich ganz gewaltig. Gib ihm eine Chance.« Hannah schüttelte den Kopf und blickte zum Fenster hinaus. Sie spürte, dass sie John nicht mit Worten überzeugen würde. Mit ihm war einfach nicht zu reden.
    Den Rest der Fahrt schwiegen sie. Hannah sah die Wolken vorüberziehen und beobachtete die Kormorane, Möwen und Papageientaucher, die hier zu Tausenden in den steilen Felsen nisteten. Die Klippen waren praktisch von der obersten Stufe bis hinunter zu den billigen Plätzen bewohnt. Ständig stürzten sich die Vögel aus großer Höhe hinab ins Wasser, um nach Fischen zu tauchen. Manche hatten Erfolg, doch viele mussten unverrichteter Dinge wieder emporsteigen, um einen neuen Angriff zu wagen. Es war ein Naturschauspiel sondergleichen. Wäre Hannah nicht so sehr daran interessiert gewesen, mehr über den Duncansby Head herauszufinden, sie hätte diesen Tag sicher genossen. Doch sie durfte nicht vergessen, warum sie hier war. Es ging um ihren Job, und der knappe Zeitplan saß ihr unbarmherzig im Genick.
    Hinter der nächsten Biegung tauchte ein merkwürdiges Bauwerk auf. Es erinnerte an die verkleinerte Version eines Kühlturms. Unten breit, oben schmal, schraubte es sich bis auf eine Höhe von etwa fünfzehn Metern in den Himmel. Das Trockenmauerwerk wirkte aus der Entfernung wie die Haut eines urzeitlichen Reptils. Schuppig, wettergegerbt und augenscheinlich sehr alt. Die konische Form des Turms erinnerte Hannah an die seltsamen Hüte der mesopotamischen Priester, die sie gestern noch auf der Kalksteinplatte abgebildet gesehen hatte. Es war ein Broch.
    Als sie auf das Gebäude blickte, fiel ihr mit einem Mal Strombergs Einladung wieder ein. Natürlich, davon hatte er gesprochen.
    »Da wären wir«, sagte John und bog in einen Feldweg ein. Am Fuße des Turms standen bereits zwei weitere Fahrzeuge, schwarze Range Rover mit langen Antennen auf dem Dach. John stellte den Mercedes ab, stieg aus und öffnete Hannah die Tür. Man merkte ihm an, dass er immer noch verstimmt war wegen ihrer offenen Worte. Hannah lächelte im Stillen. Obwohl sie mit John nur ein gutes halbes Jahr zusammengelebt hatte, konnte sie in ihm lesen wie in einem offenen Buch. Mochte er in seinem Job auch noch so ein guter Schauspieler sein, im Privatleben war er völlig unfähig, sich zu verstellen. Eine Eigenschaft, die sie an ihm sehr mochte. Norman Stromberg erwartete sie auf der anderen Seite des Turms. Er hatte sich eine Stelle ausgesucht, von der aus man einen wunderbaren Blick aufs Meer hatte. Ein Büfett war aufgebaut worden, auf dem ein opulentes Frühstück auf sie wartete. In einiger Entfernung konnte Hannah die Sicherheitsleute entdecken, die es sich am Rande der heidebewachsenen Klippen bequem gemacht hatten. Stromberg selbst saß bei dem Büfett, eine Schale mit Obstsalat in der

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