Necromancer - The Death of the Necromancer
und die Regale quollen über vor Blättern, Büchern und Laborgläsern: nicht annähernd groß genug für jemanden mit einem »Sir« vor dem Namen. Redian schloss die Tür. »Also?«
Dieses eine unnachgiebige Wort bot Halle keine Handhabe für irgendwelche Ausflüchte, und Madeline konnte ihm nicht beispringen, ohne aus der Rolle zu fallen. Mit niedergeschlagenen Augen stand sie da, und ihre Hände, die sich um den Griff von Dr. Halles Koffer klammerten, begannen zu schwitzen. Die Wände des Büros waren dünn und würden laute Geräusche bestimmt nicht verschlucken. Sie überlegte, ob sie genügend Zeit hatte, den Revolver aus dem Koffer zu holen, falls Redian um Hilfe rief, und ob ihr das überhaupt etwas nützen würde. In dem kleinen Zimmer gab es nicht einmal Fenster, durch die man hätte hinausspringen können. Nein, wenn Halle sich nicht herausreden konnte, und das schien im Augenblick nicht sehr wahrscheinlich, dann hatten sie nur noch die Chance, Redian als Geisel zu nehmen. Falls man das als Chance bezeichnen möchte.
Schließlich sagte Halle: »Ich verstehe den Grund für diesen Argwohn nicht.«
Damit wich er Redian aus und brachte zugleich sein Gegenüber zum Reden. Zornig starrte er den Arzt an. »Der Grund für meinen Argwohn ist, dass Ihr Kollege Ronsarde den Konstablern entflohen ist, und zwar unter äußerst verdächtigen Umständen, vorsichtig ausgedrückt. Die letzte zuverlässige Meldung war, dass er dieses Gebäude betreten hat. Und jetzt treffe ich hier auf Sie.«
»Das ist doch lächerlich.« Halles Stimme klang ungläubig und empört. »Ronsarde wurde entführt und beinahe getötet. Wollen Sie ihm allen Ernstes vorwerfen …«
»Ich war draußen auf der Treppe, als der Aufruhr begonnen hat«, entgegnete Redian. »Ich weiß genau, was ich gesehen habe.«
Halle hatte es geschafft, ihn vom eigentlichen Problem abzulenken, doch er musste noch immer auf Zeit spielen. »Es ist mir egal, was Sie gesehen haben.« Der Arzt drehte sich um, nahm Madeline den Koffer ab und öffnete ihn, als suchte er nach etwas. Dann platzierte er ihn auf dem Stuhl, neben dem sie stand. »Und wenn Sie sich auch nur die geringsten Gedanken machen würden, müssten Sie sofort einsehen, dass die Anschuldigungen gegen ihn alle aus der Luft gegriffen sind.«
Brillant. Made line konnte wieder atmen. Er hatte die Tasche so hingestellt, dass sie den Revolver direkt in Reichweite hatte. Es war vielleicht nicht ganz so gut wie die Arbeit mit Nicholas, aber doch annähernd. Halle wandte sich wieder Redian zu und machte dabei einen kleinen Schritt zur Seite, um seinem Gegenüber die Sicht auf den Koffer und Madelines rechten Arm zu nehmen. Das gab ihr den nötigen Spielraum zum Handeln. Wenn es ihr nicht auf Anhieb gelang, Redian zu überrumpeln, dann bestand die Gefahr, dass er um Hilfe rief.
»Darum geht es hier doch überhaupt nicht«, konterte Redian. »Wenn Ronsarde hinter diesem Aufruhr steckt …« Er brach ab und zog eine Grimasse. »Auch darum geht es nicht. Ich möchte wissen, was Sie hier zu suchen haben, Halle. Haben Sie etwas mit den Bewaffneten zu tun, die mit Gewalt in einen Wachraum eingedrungen sind, um ins Gebäude zu gelangen?«
»Wie kommen Sie dazu, mich derart zu beschuldigen …«
»Nun, wir haben diese Leute noch nicht gefasst, aber es
dauert nicht mehr lang. Und Sie geben mir jetzt eine zufriedenstellende Antwort, sonst lasse ich Sie wegen Verdachts auf Beihilfe zur Flucht der Präfektur übergeben.«
Madeline ließ ihr Taschentuch fallen und bückte sich, um es aufzuheben, griff jedoch stattdessen in den Koffer und tastete nach dem Revolvergriff. In diesem Augenblick wurde die Tür aufgerissen. Erschrocken fuhr Halle herum. Madeline hatte nur einen Herzschlag lang Zeit für ihre Entscheidung. Sie blieb halb nach vorn gebeugt, die Hand in der Tasche. Ein kurzer Blick zur Tür zeigte ihr einen jungen Mann in Konstableruniform. Um ein Haar hätte sie die Waffe gezogen, doch zum Glück schaute er gar nicht in ihre Richtung.
Der Konstabler hatte die Augen weit aufgerissen und atmete schwer. »Sir, wir haben fünf Tote im Untergeschoss gefunden!«
»Was?«
»Sie sind völlig verstümmelt - es ist Zauberei, so wie vorher auf dem Platz.«
Ohne noch an Halle zu denken, lief Redian zur Tür, der Konstabler eilte voran. Mit einer Mischung aus Erleichterung und Bestürzung blickte der Arzt Made line an. »Folgen wir ihm?«
»Ja.« Sie zog den Revolver heraus und schob ihn in ihre
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